Prekäre Folgen des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft
Die Diskussion ist seit Jahren im Gange. Dass zumindest in allen
westeuropäischen, aber auch in vielen anderen Kulturen, um sich greifend,
Formen von sozialen Biographien entstehen, die prekäre Lebensformen fast schon
"vererben". Dass hier gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund
eine zahlenmäßig deutlich erhöhte Gruppierung darstellen und wie mit dieser
zunehmenden Entwicklung ein konstruktiver Umgang gefunden werden kann, damit
wesentliche gesellschaftliche Elemente wie soziale Teilhabe und mögliche
Integration nicht vollends unumkehrbar geschädigt werden.
Für einen solchen konstruktiven Umgang aber bedarf es zunächst einer genauen
Klärung der Hintergründe und der auslösenden Momente einer solchen
Entwicklung. Eine Untersuchung, die Diana Reiners nun auf knapp 220 Seiten
vorlegt und deren Schwerpunkt eine Erhebung des Status quo ist, wie sich die
Erfahrungen von Prekarität auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt und in der
Erlebniswelt der Jugendlichen niederschlagen.
Desintegration breitet sich an de Rändern der Gesellschaft aus, dass ist eines
der Ergebnisse der Untersuchung und führt zu einer "Exklusion der
Überflüssigen", wie Reiners es durchaus angemessen drastisch formuliert.
Dabei wirft sie einen zweiten Schwerpunktblick auf die fundiert erhobene
Darstellung der Auswirkungen auf den gesamten Lebensbereich und die gesamte
Lebenshaltung dieser schwindenden Aussichten in einem sich verengendem
Arbeitsmarkt gerade auf Jugendliche mit Migrationshintergrund, die besonders
betroffen von dieser Entwicklung sind.
Exemplarisch für die Situation erhebt Reiners im ersten Teil ihrer Untersuchung
die Auswirkungen der Prekarisierungsprozesse auf das soziale und kulturelle
Gefüge der Gesellschaft Österreichs. Im zweiten Teil konkretisiert Reiners
ihre Einlassungen in Hinsicht einer strukturellen Ausgrenzungen, die durchaus
systemisch Migranten niedere Positionen im Sozialgefüge zuweisen. Im dritten
Teil stellt sie, anhand der Methode von 30 Tiefeninterviews, in Auswahl vier
Portraits exemplarischer Lebenshaltungen und konkret vorhandener Lebenswelten
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund dar.
Der letzte Teil des Buches dient der Ergebnissicherung und darin der Darstellung
der Folgen (auch prognostisch) der Untersuchungsergebnisse und der drohenden
Verfestigung der Prozesse samt deren Auswirkungen auf die Gesellschaft
einerseits und die Betroffenen andererseits.
Eine der wichtigen Erkenntnisse der Untersuchung ist, dass die gewählten
Strategien des Umgangs mit dem Problem der Prekarisierung von beiden Seiten, der
Seite der Gesellschaft und der Seite der Betroffenen her, gegenwärtig eher zu
einer Reproduktion der prekären Lage führt als zu deren Veränderung. Diana
Reiners Einlassungen enthalten wichtige Informationen und Hinweise auf die
Notwendigkeit eines Strategiewechsels von politischer Seite her, aber auch auf
solche Strategieänderungen in der zukünftigen Arbeit mit betroffenen
Jugendlichen, die dort andere Möglichkeiten und die Notwendigkeit zu
veränderten Strategien einsichtig mitteilt und verankert. Die bisherige Form
des Umgang mit dem Problem sich verfestigender Prekarität in bestimmten Gruppen
der Bevölkerung würde nur zu einer Fortschreibung des Problems führen.
Das Buch ist für interessierte Laien kaum geeignet. Es dient als
sozialwissenschaftliches Fachbuch in erster Linie der vertiefenden Forschung in
der aufgeworfenen Frage, der weiteren Erhebung von möglichen Strategien und auf
politischer Seite einer neuen Herangehensweise an das Problem zunehmender und
sich verfestigender Prekarisierung.
Fazit
Logisch folgerichtig aufgebaut, methodisch sauber gearbeitet und im Ergebnis zu
klaren Folgerungen gelangend stellt Reiners mit ihrer Untersuchung wichtiges
Material für die weitere Diskussion dieses "prekären" Themas zur
Verfügung.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 02. Mai 2011 2011-05-02 15:00:57