Mann oh Mann
Man braucht schon einen persönlichen Zugang zum Thema, um zu dem vorzudringen,
was das Buch durchaus als Gewinn bereit hält. Das ein Mann (denn um solche geht
es im Buch), eine Vision seiner selbst und seines Zieles braucht. Sich seiner
Kräfte und seiner Natur gewahr werden muss, um eine solche Vision tatkräftig
und mutig anzugehen und sich auf dem Weg der Findung vier archetypischen Seiten
des Mannseins und dem "wilden Mann" in sich zu stellen hat, um diese
Kräfte konstruktiv in der eigenen Person zu integrieren.
Persönlich geschrieben, abzielend auf eine "Initiationstherapie", die
so manch nüchternem Zeitgenossen eher als ein wenig Ritter oder Indianerspielen
vorkommen mag (die "durchwachte Nacht" erinnert stark (und gewollt!)
an den Ritus des Mannes in der Nacht vor dem Ritterschlag), stellt Stefan Wollff
zunächst einmal eine Diagnose.
Die Diagnose des zerrissenen Mannes. Zwischen Macho, Rüpel, Abzocker, Held
einerseits und Versorger, Softie, Weichei, Frauenversteher andererseits. Das
Spannungsfeld, in dem Mann sich gegenwärtig verliert. Nicht theoretisch stellt
Stefan Wolff diese Diagnose, ganz praktisch erzählt er von sich und seinen
Erfahrungen. Damals, mit Latzhose, Lila T-Shirt und blondem Engelshaar. Und so
wird auch deutlich, dass die 70er und der Anfang der 80er Jahre die
Prägungsphase des Mannes Stefan Wollf waren. Und da er damit nicht alleine
steht, lohnt es sich durchaus seinen Gedanken hinter all der vordergründigen
Sprache zu folgen.
Im Kern stellt er fest, das es in der Moderne nicht einfach ist, ein Mann zu
werden. Zum einen ob der erwähnten vielfachen Rollenbilder, zum anderen auch,
weil es keine klaren Übergänge, keine offiziellen "Initiationsriten"
mehr gibt, in deren Verlauf sich Männer mit ihrem Mann-Sein, ihren Zielen und
ihren Potentialen auseinandersetzen und (danach erst!) durch festgelegte
Abläufe in den Kreis der "erwachsenen Männer" aufgenommen werden.
Ob dies nun tatsächlich geschieht, indem man seinen persönlichen Baum umarmt,
mag dahin gestellt bleiben, aber im Kern trifft seien Beobachtung durchaus zu.
Eine diffuse Rollenerwartung an Mann (und Frau) kennzeichnet die
gesellschaftliche Realität, in der es sich durchaus gut sich verlieren lässt.
Und selbst die "harten Männer" an den Börsen, in den Sportwagen, mit
den coolen Sprüchen, haben sie den Kern ihres Wesens entfaltet oder spielen sie
nur "den Mann"? Stellen in Wahrheit eine "einsame Maschine"
dar, die im Grunde alles nur bestmöglich schaffen und erfüllen will. Unter
Verlust echter, innerer Vitalität, sondern mit einer großen inneren Leere, die
mit kaum mehr als Spielzeug ansatzweise versucht wird, zu füllen? Vergebens,
übrigens. Man beachte nur einmal hier und da Tanzkurse mit der Aufforderung an
den Mann, beim Tanz unmissverständlich und klar zu führen (da wäre es
hochoffiziell erlaubt!) und weiß, dass Wolff nicht ganz falsch liegt.
Lebensgeschichten sind es, die Wolff erzählt. Seine eigenen und die einer
Vielzahl seiner Klienten. Lebensgeschichten, die aus seiner Sicht der Dinge
heraus aufzeigen, dass der Krieger, König, Magier und Liebhaber (die vier
Archetypen von Männern, die Wolff benennt) kaum mehr in sich auch der
Gemeinschaft verpflichtet wissender Natur auftreten, sondern eher in ihren
Schattenseiten des egozentrischen vor sich hin Dümpelns anzutreffen sind.
Beileibe nicht, das muss erwähnt werden, stellt Wollf ein archaisches
"Mann-Bild" in den Raum, sondern verweist auf die Wiederentdeckung
einer klaren und verantwortlichen, erwachsenen Haltung, welche die Dinge des
Lebens nicht im Vagen lässt und diese nicht ständig nach außen delegiert.
Sich dem Spiegel auszusetzen, den Wollf dem lesenden Mann vorhält, dass ist
durchaus nicht ohne Wert am Ende der Lektüre.
Fazit
Im Buch beschreibt Wolf äußerst subjektiv, persönlich und durchaus oft auf
den Punkt treffend, seine Sicht des Mannes der Gegenwart. Er benennt die
Probleme des "sich Wegduckens" (oder eben Sublimierens) vor dem
eigenen Mann-Sein und bietet Handlungsmöglichkeiten, den "Mann in
sich" zu entdecken, ohne zum Neandertaler zurück zu mutieren. Direkt,
knapp und verständlich geschrieben durchaus mit Gewinn zu lesen, wenn man den
mythischen Überbau und die teils scharfe Sprache nicht all zu wörtlich nimmt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 02. Mai 2011 2011-05-02 14:49:10