Abgesang einer Zunft
Die Zeiten sind nicht mehr das, was sie einmal waren für einen gestandenen
Polizeireporter in Los Angeles. Wie überall auf der Welt sinkt nicht nur die
Bedeutung des geschriebenen Wortes, sondern vor allem auch die Auflagezahlen der
Zeitung, für die Jack Mcevoy jahrelang immer hart am Geschehen auf seine
gewohnte, traditionelle Art berichtet hat. Eigentlich gehört er noch gar nicht
zum alten Eisen, aber die Überholspur des Journalismus fährt einfach
schneller, als er mithalten könnte oder wollte und, vor allem, preiswerter.
Nun überholt auch ihn die Zeit und die modernen Arbeitsweisen, mit denen er zum
einen nicht mehr wirklich mithalten kann (oft und oft zeigt Connelly ihn
sprachlos angesichts der Möglichkeiten moderner Technik im Buch), die aber zum
anderen für ihn auch nur noch wenig mit dem zu tun haben, was einen Reporter
mit Spürnase, lakonischem Wesen und besten Beziehungen vor Ort als echten Kerl
ausmachen sollten. Zwei Wochen hat er noch, eine Frist, in der er nur noch seine
Nachfolgering (smart, bestens versiert in allen modernen Kommunikationsmitteln),
einarbeiten soll.
Es kommt, wie es kommen muss und wie es fast zum Standard solcher
"Buddy" Romane gehört, die ihren Reiz durchaus aus der angelegten
Verschiedenheit der Protagonisten zu ziehen vermögen. Nach anfänglichem
Befremden und diskreter Verachtung füreinander erkennen Jack Mcevoy und seine
potentielle Nachfolgerin Angela Cook durchaus den Wert der Arbeitsweisen des je
anderen und beginnen eine durchaus befruchtende Zusammenarbeit.
Neben diesem Blick auf das Zusammenpraller zweier Welten im Zeitungswesen ist
ein brutaler Mord an einer Tänzerin geschehen, für den der Schuldige, ein
junger Schwarzer, bereits gefunden zu sein scheint. Doch Mcevoy hat nicht
umsonst eine jahrelang geschulte Intuition, der Fall lässt ihm keine Ruhe. Bald
entdeckt er einen zweiten Mord am anderen Ort nach gleichem Strickmuster und
setzt sich auf die Spur des Mörders, die junge Kollegin im Schlepptau und als
bald unersetzliche Hilfe in der digitalen Welt. Denn je weiter er in seinen
Recherchen fortschreitet, desto stärker wird seine eigene Welt in
Mitleidenschaft gezogen und er muss am eigenen Leib erleben, wie verletzlich die
eigene Identität und das eigene Leben im digitalen Zeitalter geworden ist.
Rasant entwickelt sich so aus dem anfänglichen Abgesang auf die guten alten
Zeitungszeiten und die, zwar bekannte, aber durchaus humorige, Reibung zwischen
alt und jung, Tradition und Moderne ein intensives Katz und Maus Spiel, dass
durchaus auf den knapp 500 Seiten für Spannung zu sorgen weiß. Spätestens
dann mit dem Eintreffen der dritten Hauptfigur des Buches, Special Agent Rachel
Welling steigert sich die Geschwindigkeit und der Thrill des Buches.
Gewohnt knapp und präzise lässt Michael Connelly, ganz in der Tradition seines
alten Ermittlers Harry Bosch, die alte auf die neue Welt treffen und legt offen,
dass die alten, gründlichen, auf Beziehungen, Intuition und Hartnäckigkeit
beruhenden, in Jahren der Erfahrung erworbene Fähigkeiten durchaus nicht zum
alten Eisen gehören, aber ohne die Möglichkeiten der vernetzten Welt und
(dafür steht Rachel Welling) ohne die nötige Effizienz nur mehr am Rande
stattfinden wird.
Wie aber besagte Fähigkeiten der drei Protagonisten zusammenspielen und
gemeinsam die Gefahren bewältigen, dieses Zusammenspiel von tradierten Methoden
und Erfahrungen mit den neu entwickelten Möglichkeiten durch die
Digitalisierung hat Connelly plastisch dargestellt und damit das gemeinsam
mögliche in den Blickpunkt gerückt. Das alles, wie von ihm bekannt, in kurzen,
oft knappen Sätzen ohne weite Ausschweifungen und mit präzisen Dialogen, in
denen er die Eigenarten der Figuren durchaus gekonnt mitschwingen lässt.
Fazit
Eine durchaus anregende Lektüre, die den Wert mittlerweile eher gering
geschätzter Erfahrungen und des investigativen Journalismus in den Blickpunkt
setzt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 14. März 2011 2011-03-14 16:08:03