Breiter Überblick über den aktuellen Stand der Medienwissenschaft
Zurecht bemerkt Knut Hickethier bereits im Vorwort die zunehmende Breite,
Spezifizierung und Bedeutung der Medien in Kultur und Gesellschaft und die damit
einhergehende Unübersichtlichkeit des Feldes der Medien und des Redens über
die Medien. Es bedarf einer Orientierung und einer Übersicht.
Hierbei setzt Hickethier einerseits das Ziel, nicht nur die Medien in ihrer
Vielfalt darzustellen, sondern auch das Feld der Medienwissenschaft selbst
einerseits zu definieren, darzustellen und andererseits abzugrenzen gegen eng
verwandte Wissenschaftszweige wie z.B. die Kommunikationswissenschaft. Zudem
setzt er, daran anschließend, das Ziel, dann aber auch die interdisziplinären
Züge der Medienwissenschaft herauszuarbeiten.
Eigenständigkeit in Verbundenheit könnte somit das Motto seiner Betrachtungen
sein. Ausgehend von einem text- und kulturwissenschaftlichen Konzept erweitern
die Betrachtungen der Produktion von Medien und deren Rezeption die Darstellung.
Hierbei setzt Hickethier in der Struktur des Buches auf einen vernetzten Aufbau,
der Beleuchtung der Themata aus verschiedenen Perspektiven, so dass, je nach
Interessenschwerpunkten, jeweilige Kapitel als Einstieg in das Buch zugrunde
gelegt werden können.
In fünf Hauptteile gliedert sich das Buch im Folgendem. Einleitung und die
Darstellung von Grundbegriffen und Methoden bilden den Einstieg und stecken das
Feld der Modelle ab. Kommunikation, Zeichen und Symbole, Bild, Text,
darstellende Medienumsetzung, Produktion und Rezeption werden ausführlich,
intensiv und, für eine Einführung in das Thema, durchaus breit diskutiert.
Nicht umsonst machen die ersten beiden Teile räumlich fast die Hälfte des
Buches aus.
Im dritten Teil wendet sich Hickethier den Medienkonzepten zu. Zentraler Begriff
hier ist der des Dispositivs als Ordnungsmerkmal für die Betrachtung der
Medien. Dispositiv meint eine gesellschaftliche Konstruktion, die regelt, wie
etwas wahrgenommen wird. In der Praxis ist das Dispositiv somit ein netzhaftes
Zusammenwirken verschiedener Ebenen, welches letztlich regelt, was
gesellschaftlich als "normal" gilt. Dies wendet Hickethier
eindrucksvoll auf die konkreten Medien an, indem er u.a. aufzeigt, wie am
Beispiel des Kinos fiktionale Realität beim Zuschauer (für eine Weile) als
tatsächliche Realität wahrgenommen wird und wieweit somit Medien ebenfalls als
Dispositive realitätsbildend sind. Auch sein Blick einige Zeit später auf den
Kulturbebgriff und die Wechselwirkungen zwischen Kultur und Medien (Medien sind
"Kulturagenturen") ist in Form und Zielrichtung fundiert argumentiert
und zeigt auf, wie wichtig die wissenschaftliche Reflektion gesellschaftlicher
Medienrealität für die sich weiter entwickelnde Rolle der Medien in der
Zukunft ist.
Eine breite Übersicht über gängige (Radio, Fernsehen, Film, Internet) Medien
im vierten Hauptteil des Buches bereitet den abschließenden Teil der rein
wissenschaftlichen Betrachtung mit vor. Medienanalyse, Mediengeschichte und
Medientheorie sind hier die Eckpfeiler der vertiefenden Diskussion.
Aufgrund des zugrunde liegenden technisch orientierten Medienbegriffs tauchen,
das fällt auf, Buch und Printmedien nicht in gesonderter Darstellung auf, die
textualen Darstellungsformen werden überwiegend in ihrer Rezeption durch
technische Massenmedien dargestellt und eingebunden. Durch den Ansatz des Buches
verständlich, dennoch ein stückweit bedauerlich.
Fazit
Ansonsten aber lässt das Buch an dargestellter Breite und notwendiger
Vertiefung im Sinne einer Einführung keine Wünsche offen. Ein bestens
geeignetes Lehrbuch, das seine Stärken nicht zuletzt in der klaren Abgrenzung
der Medienwissenschaft einerseits und andererseits in der dann selbstbewussten
interdisziplinären Verflechtung derselben hat. Eine weitere Stärke ist der
netzorientierte Aufbau des Buches, der ein Schwerpunkt orientiertes Arbeiten
erleichtert. Hierzu gehört auch, das die vielfältigen Literaturhinweise zur
Vertiefung den einzelnen Kapitel zugeordnet sind.
Für den interessierten Laien ist das Buch nur bedingt geeignet. In Sprache und
Darstellung bedarf das Buch einer wissenschaftlich orientierten Einarbeitung.
Für die wissenschaftliche Arbeit aber bildet das Buch eine gute Grundlegung und
vielfache Türen zur weiteren Erarbeitung der Themen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. Februar 2011 2011-02-26 14:07:12