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Jürg Amman: Der Kommandant

Der Kommandant

von Jürg Amman
Verlag: Arche Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-7160-2639-7

Preis: 11,01 Euro bei Amazon.de [Stand: 20. November 2024]
Erschütternd

Auschwitz war das größte, im perversen Sinne bestens organisierte Vernichtungslager, dass die Welt je gesehen hat. Und Rudolf Höß war sein Kommandant. Nationalsozialist mit bis zum Ende ungebrochener Überzeugung, vor allem aber einer der ganz wenigen Nationalsozialisten überhaupt (und zudem ein ausführendes Organ an extrovertierter Stelle), der ein umfassendes Selbstzeugnis verfasst und hinterlassen hat.

Während der Zeit seiner Gefangenschaft vor seiner Hinrichtung setzt Höß an, über sein "inneres Leben" Rechenschaft abzugeben, das Ergebnis sind damals gut 300 eng beschrieben Seiten. Grundlage des Buches von Jürg Amman, für die es an sich bereits starker Nerven bedarf, sie sich zu Gemüte zu führen.

Auch wegen der geschilderten, unmenschlichen Vorgehensweise, vor allem aber aufgrund der kühlen, distanzierten Haltung und Sprache, die Höß, ganz der befehlsausführende Verwalter der Vernichtungsmaschinerie des dritten Reiches, Seite für Seite vor Augen führt. Selbst jene Momente, in denen er immer wieder betont, wie zuwider ihm in Person das alles gewesen sei, verlieren aufgrund der sachlich nüchternen Darstellung und der Haltung, die zwischen den Zeilen zum Ausdruck kommt, jede Glaubwürdigkeit. Bis zum letzten Atemzug bleibt Höß ungebrochener Nationalsozialist, er bedauert durchaus die Greueltaten der Vernichtung, dies aber nicht aufgrund der unmenschlichen Handlungsweise, sondern weil diese Handlungsweise das Bild der Nationalsozialisten in den Augen des Restes der Welt so negativ geprägt hat.

In der literarischen Form eines monologischen Monodramas setzt Amman in der Bearbeitung der Selbstaufzeichnungen 16 Stationen in den Raum. Eine radikale Quintessenz der Aufzeichnungen des Lagerkommandanten. Wie Amman sagt, hat er selbst sehr wenig nur verändert und hinzugefügt oder geglättet, in weiten Teilen des Monologs nutzt er die Selbstaussagen und die eigenen Formulierungen von Rudolf Höß.

Die eigentliche Kunst somit, für die Jürg Amman Anerkennung gebührt, ist seine unnachahmliche Verdichtung der Aufzeichnungen. In einfachster Sprache, verdichtet auf den Punkt gebracht, ergibt sich auf den gerade einmal knapp 110 Seiten des schmalen Buches eine Selbstdenunziation sondergleichen, ein Abbild des Schreckens, ein Ahnen dessen, wie die überzeugten Fanatiker des dritten Reiches von Innen ausgesehen haben mögen. Weniger als Entschuldigung mögen da die Kindheitsjahre und -Erlebnisse gelten, die kühle Distanz zu den Eltern, den Geschwistern, die Nähe zu (wehrlosen) Tieren, mehr als Erläuterung der Befindlichkeit einer ganzen Generation des ersten Weltkrieges dienen jene ersten Seiten des Monologs. Eine quasi religiöse, soldatische Befindlichkeit, die den Nährboden für jene hierarchische Eingliederung und Führerverehrung gebildet hat, aufgrund derer jeder Befehlt des Führers und seiner Statthalter als heilig empfunden wurde. Nicht ohne Grund waren die Lebensjahre des heranwachsenden Höß vom Ziel geprägt, Priester zu werden.

Menschlichkeit und Mitleid finden nur in engen Bezügen ihren Platz. Da, wo Höß eindringlich von seiner Familie, seinen Kindern spricht und in Verkehrung aller humanistischen Möglichkeiten mit sicherer Hand von den Freiheiten seiner Kinder im Lager erzählt und tatsächlich niederlegt, wie schwer es für seine Familie gewesen ist, ihn oft aufgrund seiner "dienstlichen Verantwortung" im Familienkreis missen zu müssen.
Das Bild des schwer arbeitenden Vaters erlebt hier eine Pervertierung sondergleichen.
Da spielen seine Kinder im eigenen, blühenden Garten, von Häftlingen gepflegt, neben den Krematorien. Höß rühmt noch die Freundlichkeit seiner Familie den Häftlingen gegenüber, wohl wissend, dass all die Boten und Gärtner einige Tage später in Asche aufgehen werden.
Fazit
Der Monolog von Amman ist in keiner Weise monoton, sondern gibt ein erschütterndes Zeugnis darüber ab, wie es im Inneren von Menschen aussieht, die sich jeder allgemeinen Mitmenschlichkeit und jeder Form persönlicher Reflektion und Reue entledigt haben. Ein Buch, das in jeden Geschichtsunterricht gehört um die Augen für das Niederste zu öffnen, zu dem hin sich Menschen entwickeln können. Umgesetzt in sprachlich dichter und eindrucksvoller Form.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 07. Februar 2011

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