Entwicklung eines gesunden Selbstwertes
Zwei Pole von Persönlichkeitstypen, die hochgradig ihren Selbstwert und damit
ihr inneres Wohlergehen durch die Anerkennung von der Außenwelt abhängig
gestalten, setzt Harlich H.Stavemann als Kunstfiguren kontinuierlich in den
Blick des Buches. In diesen beiden Polen setzt er die Grundproblematik des
Empfindens von Selbstwert einer fundierten Betrachtung und Untersuchung aus. Der
eine Pol ist die ständige Furcht vor Ablehnung und damit einhergehend das
beständige Beachten, ja nichts falsch zu machen in den Augen der anderen, der
zweite Pol ist das ständige aktive Suchen nach Anerkennung für gebrachte
Leistungen und damit die ständige Sorge vor Versagen.
Der leicht martialische Titel des Buches trifft es dabei auf den Punkt,
Erfahrungen, die Stavemann aus seiner praktischen Tätigkeit zur Genüge kennt.
Solch von außen gespeistes Selbstwertgefühl ist wie eine tickende Zeitbombe,
die jederzeit mit vernichtender Wirkung explodieren kann, falls die gewünschte
Beachtung und Anerkennung von außen (die nun einmal nicht sicher kontrollierbar
ist), ausbleibt.
Auf nur gut 170 Seiten des schmalen Buches wird in jedem Satz deutlich, dass
Stavemann nicht nur weiß, wovon er spricht, sondern die Problematik auch
durchdrungen und praktisch aufgearbeitet hat. In der lockeren Art und Weise, wie
er mit Ida Immerföhlich und Walter Wichtig die beiden Pole mangelnden
Selbstwertgefühls von einem praktischen Beispiel zum anderen symbolhaft die
verschiedenen Formen schädlicher Selbstwertkonzepte darstellt, ist ebenso ein
Lesevergnügen, wie auch eine deutliche und präzise Erfassung dieser zum
Scheitern verurteilten Konzepte.
Ein Scheitern, dass Stavemann eindringlich logisch in seinem ersten Teil
begründet und ableitet, indem er nachweist, dass es unmöglich ist, für ein
komplexes Wesen wie den Menschen einen Gesamtwert bestimmen zu wollen. Nicht nur
von Außen wäre dieser Wert nicht messbar, auch in der Eigeneinschätzung wäre
eine Gesamtwertbestimmung immer zu kurz gegriffen.
Ein Befund, den Stavemann an mannigfaltigen "Leistungshaltungen"
verdeutlicht, sei des der Perfektionist, Stars und Models, die "beste
Mutter aller Zeiten", an Sammlern und Besitzern ebenso, wie an Mächtigen.
Selbst selbsternannte Lebenskünstler lässt er nicht aus, die nur
vordergründig es locker angehen lassen, ihren Wert aber darin versuchen, zu
definieren, immer und überall und generell etwas Besonderes darzustellen und
damit im Leistungssystem sich wiederfinden. Auch die andere Seite, die nicht der
Leistung in erster Linie, sondern dem Gemocht werden anhängt, blüht das
gleiche Schicksal der tickenden Bombe. Vom Klasenclown bis zum
Applausfetischisten verdeutlicht Stavemann mit Nachdruck und Ernst die
Problematiken solcher nach außen gerichteter, pauschaler Selbstwertkonzepte.
Im weiteren Verlauf des Buches erarbeitet Stavemann anhand vielfacher Beispiele
und einer Reihe von Übungen, die in Eigenregie durchgeführt werden können,
ergänzt durch Arbeitsblätter und Onlinematerialien, verständliche und
umsetzbare Strategien zur Entschärfung der eigenen Selbstwertbomben und Wege
zur Entwicklung eines gesunden Selbstwertkonzeptes und konstruktiver
Selbstbewertungen. Dies gelingt ihm mit einer Verlagerung der Gedankenkraft.
Nicht mehr in wertenden Kategorien wird gedacht und geschildert, sondern in
deskriptiven Kategorien. Aus dem Versuch einer Bewertung wird das Bild einer
Beschreibung, aus einem Selbstwert ein Selbstbild mit vielerlei Facetten.
Hier geht es dann im Folgenden allerdings nicht darum, nur die eigenen Facetten
zu beschreiben, sondern durch die zunächst wertfreie Betrachtung der eigenen
Gesamtschau führen dann Unterscheidungen in erwünschte und unerwünschte
Elemente zu einer aktiven Möglichkeit der Veränderung.
Dies zu guter Letzt tatsächlich Schritt für Schritt in die Praxis umzusetzen,
damit beschäftigt sich der abschließende Teil des Buches mit einer Vielzahl
von Arbeitshilfen und Möglichkeiten der Zielerstellungen und
Zielerreichungen.
Die kognitive Verhaltenstherapie mit ihrer rationalen Arbeitsweise ist als
Ansatz im Buch klar erkennbar. In dieser sehr rationalen Betrachtung von
Lösungsmöglichkeiten ist das Buch nicht jeder Persönlichkeitsstruktur ohne
weiteres zugänglich. Durch die vielfach an Beispielen sich orientierte
Darstellung aber gelingt letztendlich die Einarbeitung nach doch kurzer Zeit und
das Buch beginnt, eine Eigenwirkung alleine schon durch die Erkenntnis eigener
Selbstwertfallen zu initiieren. Wenn der Leser bereit ist, sich dieser Diagnose
auszusetzen.
Fazit
Kurz, knapp, verständlich, immer wieder mitten aus dem Leben die Beispiele
vorführend ist Harlich H- Stavemann eine treffende Betrachtung schädlicher
Selbstwertkonzepte gelungen. Ebenso zeigt er gangbare Wege einer schrittweisen,
aber nachhaltigen Veränderungsmöglichkeit auf.
Ein wichtiges Buch zu einer Zeit, in der gesellschaftliche Systeme mehr und mehr
nur mehr auf den Nutzwert eines Menschen zu schauen scheinen und Krankheiten wie
Depressionen und Burn out als Folge weit um sich greifen. Hier kann das Buch
eine Möglichkeit auch des Selbstschutzes bieten.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 29. Januar 2011 2011-01-29 11:39:51