Darius, Hakan und ein paar ihrer Mitschüler sind Mitglieder einer Berliner
Antifa-Gruppe. Auf dem Rückweg von einer Plakat-Klebe-Aktion in einem anderen
Viertel gegen Neonazis kommt es zu einer Konfrontation mit Skinheads. Hakan,
dessen Vater Türke ist, wird in diesem Moment klar, dass in seinem Viertel
nicht Neonazis ein Problem sind, sondern wenige arabische und türkische
Jugendliche Ärger machen. Auch Darius erlebt eine Schlüsselszene, als er seine
Freunde durch seine schnelle Reaktion aus der gefährlichen Situation raushaut.
Nun fragt er sich, warum er immer wieder in Situationen gerät, in denen er
glaubt sich oder andere verteidigen zu müssen. Darius und Hakan nehmen als
Kinder aus einfachen Verhältnissen in der Antifa-Clique eine Sonderstellung
ein. Was dort diskutiert wird klingt für die Jungen wie Theorien aus dem
Ethikunterricht. Die beiden Freunde sind sich seit der Grundschule vertraut.
Ihre Position anderen Jugendlichen gegenüber haben sie sich schon früh auf der
Straße und beim Fußballspielen erkämpft. Auf der Straße geht es um Ehre,
Stolz, Respekt. Wie ein Mann zu sein hat, definiert hier die Tradition
muslimischer Einwanderer. Darius wird bald 18. Er will nur noch weg von seinem
schwachen Vater, der nicht die Kraft hat, aus dem Viertel wegzuziehen, in dem
sein Sohn offenbar der einzige deutsche Schüler ist. Darius wünscht sich ein
eigenes Zimmer und will dann endlich sein Abitur ablegen und studieren. Die
ungeheure Erleichterung, als Darius durch einen Zufall ein Zimmer findet,
gehört für mich zu den gelungensten Szenen des Buches.
Ein wichtige Rolle in der Antifa-Gruppe kommt Alina zu, einem Mädchen
polnischer Herkunft, die dort wohnt, wo man entweder russisch oder türkisch
ist. Mit ihrem Lebensstil kann Alina für ihre türkischen Altersgenossen nur
eine deutsche Schlampe sein. "Du redest, weil du reden kannst. Hier wird
weniger geredet, hier funktioniert das anders." weist Alina die Theoretiker
der Antifa-Gruppe zurecht.
Nach einigen Übergriffen auf Mädchen im Viertel will Hakan der Öffentlichkeit
mit einer Kampagne klar machen, dass der Ärger im Viertel von einzelnen
Einwanderern ausgeht. Dass Darius der Idee einer Bürgerwehr kritisch
gegenübersteht, empfindet Hakan als Verrat. Darius muss sich nun entscheiden,
auf wessen Seite er steht. In dieser für ihre Freundschaft belastenden
Situation kommt es zu einer gewalttätigen Konfrontation zwischen Hakan und
Emre, den beide schon lange kennen. Hakan wird um seine Ehre kämpfen müssen.
Fazit
Michael Wildenhain vermittelt am Beispiel der Freunde Hakan und Darius, wie
heute deutsche Jugendliche leben, die in ihrem Stadtviertel oder in der Schule
gegenüber Migranten die Minderheit bilden. Wildenhains Charaktere gehören
durch ihre Herkunft nirgendwo dazu und müssen ihren Platz erkämpfen.
Eindringlich beschreibt der Autor Darius ambivalentes Verhältnis zu Situationen
in denen er instinktiv Gewalt anwendet, um sich Respekt zu verschaffen. Die
Bewegung von Hakan und Darius aus dem eigenen Revier durch Reviere türkischer
und arabischer Gruppen beobachtet man beim Lesen wie militärische Operationen.
Ein spezielles Berlin-Feeling kommt dabei nicht auf; die Handlung könnte auch
in einer anderen Großstadt spielen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 25. Januar 2011 2011-01-25 10:14:22