Der finnische Wissenschaftler Rolf Narva ist durch einen Brief einer ehemaligen
Kollegin nach Berlin gerufen worden. Rolf und Katharina müssen in der Nazizeit
Kollegen in der Raketenforschung gewesen sein. Nun verbringt Katharina ihre
letzten Jahre in einem Pflegeheim und scheint Gegenwart und Vergangenheit nicht
mehr auseinanderhalten zu können. Rolf hat in den USA jahrelang bei der NASA
gearbeitet und lebt inzwischen wieder in seiner Heimat. Er und seine schwedische
Frau Ingrid haben die Jahre, die sie in Deutschland studierten, promovierten und
forschten, sorgfältig vor ihrer Familie geheimgehalten. So ist Rolfs Sohn Erik
sehr beunruhigt darüber, was sein betagter Vater in Deutschland überhaupt
erreichen will. Niemand weiß, dass das Paar damals überhaupt in Deutschland
war. Die Nazizeit wurde parallel zur Aktion Paperclip der Amerikaner (die
deutsche Raketenforscher für das Apollo-Projekt in die USA holten) komplett
aus den Lebensläufen der beiden getilgt. Ebenso interessant wie Rolf Narvas
sorgfältig vertuschte Tätigkeit in der Raketenforschung ist die Vergangenheit
seiner Frau Ingrid, die als Assistentin von Dr. Karin Magnusson an Josef
Mengeles Menschenversuchen mit menschlichen Augäpfeln beteiligt war.
Offensichtlich hat man Narva mit dem Brief aus Deutschland in eine Falle
gelockt. Erik erfährt in Berlin, dass sein Vater angeblich bei einem
Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein soll.
Zur gleichen Zeit konstruieren in Finnland ein paar Studenten einen
Marschflugkörper, der in St. Petersburg einschlägt. Die Gruppierung will mit
dieser Demonstration die finnische Regierung erpressen. Rolf Narva und der
Großvater eines der Studenten waren in Deutschland offenbar gegen Ende des
Zweiten Weltkriegs daran beteiligt, angereichertes Uran (U-235) zu verstecken.
Nicht nur die Studenten verfügen über einen Teil des Uranvorrats aus
Deutschland. Ein paar dubiose Gestalten wollen mit ihrem Anteil aus dem Fund in
London eine schmutzige Bombe explodieren lassen und damit Einfluss auf die USA
und ihre europäischen Verbündeten in ihrer Haltung gegenüber dem Irak nehmen.
Ingrids Heimlichtuerei bringt inzwischen ihren Sohn bei seinen Nachforschungen
in Lebensgefahr. Während Erik Narwa mit den Erkenntnissen seiner privaten
Ermittlungen bei deutschen und englischen Ermittlungsbehörden noch auf taube
Ohren stößt, kommt es in London zu einem lebensgefährlichen Wettlauf um die
schmutzige Bombe zwischen den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens.
Ilkka Remes hat wie gewohnt einen spannenden Thriller mit schnellen Schnitten
konstruiert. Seine fiktiven Figuren, Angehörige der Familien Narwa und
Plögger, sind vor einem sorgfältig recherchierten historischen Hintergrund
angesiedelt, die Handlung knüpft an aktuelle Ereignisse unseres Jahrzehnts an.
Der Nebenstrang der Handlung, der die reale Dr. Karin Magnusson betrifft, hat
mich an Remes Buch am stärksten fasziniert. Magnussen hat 20 Jahre an einem
deutschen Gymnasium unterrichtet, ohne dass jemand von ihrer wissenschaftlichen
Tätigkeit für Mengele wusste (
Augen aus Auschwitz). Auch wie Sohn, Schwiegertochter und Enkel mit
Ingrid und Rolf Nerwas verheimlichter Tätigkeit für die Nazis konfrontiert
werden, fand ich mitreißend geschildert. Der Showdown der Geheimdienste zum
Schluss fällt gegen die historischen Passagen m. A. wieder ab.
Fazit
Ein spannender Thriller mit exzellent recherchiertem historischem Hintergrund.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 25. Oktober 2010 2010-10-25 16:52:33