Isildurs Ring in Island
Michael Ridpath war bisher bereits bekannt für überdurchschnittlich verfasste
Thriller im Bereich der Wirtschaftskriminalität, oft spielten seine Sujets
dabei in der Welt der Banken.
Nun hat er Neuland betreten und eine eher klassisch anmutende Kriminalgeschichte
verfasst, die zugleich der Startpunkt für einen neuen Serienermittler sein soll
und sein kann.
Die Grundzüge und die Form der Geschichte sind dabei nicht sonderlich neu. Ein
Mord, eine überschaubare Reihe an Verdächtigen, ein motivierter Ermittler, der
einiges an Schwierigkeiten dienstlicher und persönlicher Art zu überwinden hat
und ein geschlossener geographischer Raum, der dem Fall seine Bühne gibt.
Auf diesen altbekannten Grundzutaten nun entfaltet Ridpath allerdings eine
durchaus interessante Handlung, die sich mit literarischen Größen wie Tolkien
einerseits und einem bisher noch nicht allzu bekannten Schauplatz von Thrillern,
nämlich Island, andererseits verknüpft. Ein Land, in dem Handfeuerwaffen
verboten sind, ein Land, in dem jeder jeden Duzt und zudem ein Ort der Quelle
vielfacher nordischer Sagen und Überlieferungen, aus denen sich die Literatur
vom Nibelungenlied bis hin zu Tolkiens "Herr der Ringe" breit bedient
hat. Sowohl der Ort wie auch die Verzweigungen der Hintergründe des
eigentlichen Kriminalfalls mit den alten Sagas und letztlich sogar dem Ring, der
in Tolkiens Büchern eine solch große Rolle spielt, ergeben ein durchaus
fesselndes Leseerlebnis.
Magnus Johnson, aus Island stammender Detektiv der Bostoner Polizei wird massiv
bedroht, da er als Zeuge in einem wichtigen Prozess aussagen soll.
Seine Dienststelle sendet ihn daher für unbekannte Zeit nach Island zur
dortigen Polizei, um ihn aus der Schusslinie zu nehmen. Wie sich im weiteren
Verlauf herausstellen wird, ist auch Island nicht weit genug entfernt von seinen
Verfolgern und die Geheimhaltung, wie so oft, nicht völlig zu gewährleisten.
In Island angekommen sieht sich Johnson einerseits mit einem Vorgesetzten
konfrontiert, der dem Amerikaner misstrauisch gegenüber eingestellt ist und
andererseits mit einem Mord, der die Ermittler lange im Dunkeln tappen lässt.
Ein Professor für Sprachen (schon hier ein Verweis auf Tolkien) ist ermordet
worden, der, wie sich herausstellt, eine unbekannte, uralte Sage um einen Ring
der Macht teuer an einige überzeugte (und zahlungskräftige) "Herr der
Ringe" Fans verkaufen wollte.
Deutlich wird im Zuge der Ermittlungen, dass es nicht nur um ein altes Stück
Papier geht, sondern dass hinter dieser Sage eine ganz reale Geschichte hervor
lugt. Sollte es den Ring, der eine solch große Rolle in der alten Sage und im
"Herrn der Ringe" spielt, wirklich geben? Und hat er tatsächlich
einen solch zerstörerischen Einfluss auf Menschen, die ihm nahe kommen?
Immer näher rückt Johnson der Lösung des Falls und entdeckt dabei mehr als
den einen Toten. Zugleich nähert sich ihm die Bedrohung aus der alten Heimat,
seine Verfolger haben sich auf seine Spuren gesetzt. Selbst eine beginnende
Liebesgeschichte kann zunächst nur wenig Positives in den Raum setzten, zu
irritiert ist Johnson von den lockeren isländischen Umgangsformen und noch ist
er auch ein Stück befangen durch seine Vergangenheit.
Interessant am Buch ist, dass es fast zeitgleich mit Tolkiens "Sigurd und
Gudrun", den Nachdichtungen alter nordischer Sagen, erscheint. Diese
Thematik greift Ridpath bestens auf und verzahnt seine Geschichte in Island in
logisch erscheinender Weise mit der Entstehung des "Herrn der Ringe"
und dessen Ursprung in eben jenen isländischen Sagen.
Die Gauk-Saga mit all ihren Anspielungen bis hin zu Namensgleichheiten wie
"Gandalf" und "Isildur", gepaart mit dem Wert, den diese
für die Kunstgeschichte hätte, stellt Ridpath in den Mittelpunkt der
Ermittlungen und führt den Leser im Abklang des Buches tatsächlich auf einen
realen Schicksalsberg, an dem sich die Zukunft des Ringes entscheiden wird.
Fazit
Mit Magnus Johansonn ist ihm zudem ein überzeugender Charakter gelungen, der
von Ridpath mit Leben gefüllt wird und durch seine Lebensgeschichte einerseits
dem Leser nahe rückt und andererseits bereits den Grundstein für nachfolgende
Bücher legt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 24. Oktober 2010 2010-10-24 22:38:17