Gekündigtenarbeit
Im Zuge der wirtschaftlichen Rezession 2008/2009 ist es auch Julia Berger
unverhofft passiert. Ihr Arbeitgeber, die Tochterfirma eines größeren
Unternehmens, hat eine hohe Zahl Mitarbeiter entlassen, unter anderem auch sie
selbst.
Unverhofft, ein kalter Schlag, nie hätte Julia Berger damit gerechnet. Und nun
legt Sie einen Bericht über diese Zeit vor. Im Stil ausführlich und langsam
erzählt, versäumt Sie es nicht, alle nur denkbaren Umstände, inneren und
äußeren Entwicklungen darzulegen.
Einerseits erzählt sie damit ihre ganz persönliche Geschichte durch die Monate
der Kündigungsfrist hindurch, versteht es, auf den Punkt genau das innere Hin-
und Hergeworfen sein dem Leser nahe zu bringen. Andererseits beschreibt sie
ebenfalls minutiös die äußeren Ereignisse. Vom Umgang mit den
Arbeitsagenturen, Fristsetzungen, Formularkrieg, ständiger Nachfrage und dem
Anspruch an sie, ständig verfügbar zu sein über ihre Erfahrungen in
Bewerbungssituationen, bei denen die Gesprächspartner oft nicht bestens
vorbereitet das Gefühl vermitteln, die Gnade eines möglichen Arbeitsplatzes
verteilen zu können bis hin zu den ersten Versuchen der Autorin, auf eigenen
Füßen in der Selbstständigkeit ihren Weg zu finden und was dazu dann wieder
alles an rechtlich relevanten Schritten zu bewältigen ist.
Besonders eindrücklich gelingt es ihr, das Ausgeliefertsein in den Raum zu
stellen, die Ohnmacht des einzelnen den Systemen gegenüber. Dem System des
Amtes, dem System der Bewerbungssituation, dem System, einerseits ausgegliedert
zu werden und andererseits vom ehemaligen Arbeitgeber Angebote für
selbstständige Projekte zu erhalten. Der Unsicherheit, ob die eigenen Versuche
überhaupt wahrgenommen werden von Seiten möglicher Arbeitgeber und die Ahnung,
dass mit den eigenen, persönlichen Daten nicht immer sorgfältig umgegangen
wird.
Ihre leicht ironisch gefärbten fünf goldenen Regeln für Arbeitslose (Werde
zum Din-Bewerber) treffen dabei die Realität viel mehr auf den Punkt als der
bigotte Status des Arbeitslosen als vermeintlicher "Kunde" bei der
Arbeitsagentur.
Flüssig geschireben ohne natürlich literarische Höhenflüge anzugehen öffnet
das Buch von Julia Berger durchaus noch einmal mehr die Augen dafür, dass das
gegenwärtige System des Umgangs mit Arbeitnehmer und Arbeitslosen eines vor
allem ist: Entmutigend. Nach der Lektüre ist es leicht, nachzuvollziehen, dass
selbst motivierte Menschen mit durchaus vorhandener Qualifikation angesichts des
formalen Umganges und der formalen Hürden kaum in der Lage sind,
(folgenschwere) Fehler zu vermeiden im Wust der Formulare und zudem die eigene
Motivation mehr und mehr zu verlieren, sich diesem System der Agenturen und
Bewerbungsrunden weiter zuzuwenden.
Fazit
Ein treffender Eindruck von den Schwierigkeiten, nach einer Kündigung gut
wieder Fuß zu fassen mit einer ganzen Reihe nachvollziehbarer Erklärungen und
Erläuterungen, worauf alles zu achten ist im Fall der Fälle. Zudem ist das
Buch mit einem Glossar versehen, das die wichtigsten Strichworte und Abläufe im
Umgang mit der eigenen Arbeitslosigkeit eingängig erläutert. Nicht als
literarisches Werk, wohl aber als Augenöffner, trotz mancher Längen im
mittleren Teil des Buches, äußerst empfehlenswert.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 14. Oktober 2010 2010-10-14 15:57:23