Der Originaltitel lautet "The People’s Act of Love", weder dieser
noch der deutsche Titel sind das Irreführende, es ist viel mehr der Klapptext,
der einem eine Liebesgeschichte verspricht. Es ist nicht wirklich eine
Liebesgeschichte.
Wenn man den Epilog VORHER lesen würde, würde einem einiges klarer werden, so,
dass Meek diesen Roman über eine Kastratensekte in Russland schreibt, die es
laut diversen Angaben bis in die 70er Jahre hinein noch gegeben haben soll. Das
ist aber nicht der einzige Schwerpunkt in diesem Roman, es handelt auch von der
tschechischen Legion in Sibirien und von der unter sowjetischen Sträflingen
gängigen Machart, einen Mithäftling (oder was sich gerade anbietet) als
Proviant mitzunehmen, der gegessen wird, wenn keine andere Nahrung mehr übrig
ist.
Wir haben also die Themen Kastrierung, Kannibalismus und die Tschechische
Legion, alles verpackt im sibirischen Tiefschnee.
Dieser Roman beginnt mit der Vorstellung einer der Hauptcharaktere, Samarin. Ein
junger und recht wohlhabender Student, der durch ein Missgeschick oder aus
naiver Liebe zu einer Revolutionärin wegen Terrorismus schuldig gesprochen wird
und für einige Jahre ins Gefängnis kommt.
Die anderen Protagonisten sind Anna Petrowna, eine Photographin, die sich nach
Verschwinden ihres Mannes, einen Husaren, auf die Suche nach diesem macht und
mit ihrem Sohn in dem winzigen sibirischen Ort Jasyk landet. Der Mittelpunkt von
"Die einsamen Schrecken der Liebe". In Jasyk leben neben der
Kastratensekte, in welcher sich die Männer sämtliche Geschlechtsteile
entfernen haben und die Frauen sich ihre Brüsten abnähmen ließen, die
tschechische Legion unter der Führung von Mutz, einem Juden und den
machthungrigen Hauptmann Matula.
Die Handlung wird je ganz nach Jasyk verlagert als ein vollbärtiger und
verlauster Fremder im Ort auftaucht und zeitgleich ein Schamane tot aufgefunden
wird. Der Fremde stellt sich als Samarin heraus, dieser rechtfertigt sein Kommen
damit, dass er aus dem "Weißen Garten" -einem Straflager- geflüchtet
sei, und sein Mitflüchtling sei auf der Suche nach Samarin, weil er ihm davon
gelaufen sei.
Während Mutz eigentlich damit beschäftigt war, die Legion wieder in die neue
Heimat (Tschechoslowakei) zu schaffen und somit eine Meuterei anzustacheln,
musste sich nun auch noch um einen verrückt geworden Kannibalen Sorgen machen,
der Jasyk bedrohen könnte.
Anna, die in Balaschow- dem Anführer der Sekte- ihren Mann, oder was von ihm
übrig ist, wieder gefunden hat, lebt mitten unter der Sekte, ohne Teil davon zu
sein. Sie hat eine Affäre mit Mutz und als Samarin im Ort erscheint, ist sie
auf Anhieb von ihm fasziniert.
James Meek spinnt hier eine enorm komplizierte Geschichte um Religion, Liebe,
Macht und Suggestion, aber nichts desto trotz ist es eine besondere
Leseerfahrung.
Man ist als Leser sofort im tiefen und ewigen Schnee von Sibirien, eingepackt in
die Kälte und die Unmöglichkeit wegzukommen, weil weit und breit nichts ist.
Abgeschnitten von der Welt und den Geschehnissen in Russland, lebt man mit der
Sekte umgeben von tiefem Wald.
Wenn man nicht wüsste, dass es ein englischer Schriftsteller ist, man könnte
fast meinen, es wäre ein russischer Roman.
Fazit
Zur deutschen Ausgabe kann ich sagen: Absolut gelungen, das Buch ist perfekt
gestaltet, ein wunderschönes Titelbild, sehr präzise Übersetzung und auch der
Titel, selbst wenn er etwas merkwürdig anmutet, ist nicht falsch gewählt.
Vorgeschlagen von Diyani Dewasurendra
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veröffentlicht am 21. September 2010 2010-09-21 12:28:32