Niedergang, Sehnsucht und Freundschaft
Pennsylvania stand lange Jahre, Jahrzehnte für die solide untere Mittelschicht
des amerikanischen Traumes. Stahl war unabdingbar nötig für die
wirtschaftliche Expansion der USA und mit dem Stahl kamen die Arbeiter, die
Gewerkschaften, die ausreichenden Löhne und das nicht überschwengliche,
dennoch aber gute Leben.
Vorbei.
Pennsylvania steht nunmehr für "White Trash", die entlassenen,
hoffnungslosen, in die Sozialhilfe oder darunter abgeglittenen ehemaligen
Arbeiter der Stahlindustrie und ihrer zugehörigen Zulieferfirmen. Verlierer in
Massen produzierte die anhaltende Wirtschaftskrise und Isaac und Billy,
Jugendliche und beste Freunde, gehören mit in diesen Pool verarmender und
Haltung verlierender Familien. Issacs Mutter beging Suizid, sein Vater ist
Invalide und Billy haust in einem Trailer am Rande der Zivilisation.
Beide hätten zwar die Möglichkeit, wie in Amerika üblich, durch ihre je
herausragend sportlichen Begabungen Stipendien an Elite Universitäten zu
erhalten, Isaac verzichtet zugunsten seiner Schwester, Billy wendet sich trotzig
aus gegen die sich eröffnenden Chancen.
Doch Isaac will seine Träume nicht in Alkohol und Klagen begraben, er
überredet Billy, mit ihm diesen Ort tiefen Niedergangs zu verlassen und in
Kalifornien, im "gelobten Land" einen Neuanfang zu wagen. Beide kommen
nicht weit, am Stadtrand kommt es zu einer konfliktreichen Begegnung mit
weitreichenden Folgen, in deren Verlauf Isaac in Notwehr einen Menschen tötet.
Der ermittelnde Polizist findet allerdings Billys Jacke am Tatort und, hier
nimmt das Buch psychologisch interessante Wendungen, Billy nimmt tatsächlich
die Schuld auf sich, Vielleicht aus Trotz? Vielleicht, um seinem Freund Isaac
eine Zukunft zu ermöglichen, die er für sich selber nicht sieht? So beginnt
nun, die Geschichte, in düsteren Farben verbleibend, auf drei Ebenen ihren
Fortgang zu nehmen.
Der Leser begleitet Isaac auf seiner Odyssee durch Amerika, bei der täglich ein
Stück mehr seiner Hoffnung und Sehnsucht verloren geht, begleitet Billy auf
seinem Weg ins Gefängnis und begleitet den ermittelnden Sheriff, dessen Welt
innerlich und äußerlich noch in Ordnung ist, der sich aber nun mit dem Umfeld
und der Welt von Issac und Billy auseinander zu setzen hat.
Eine Auseinandersetzung, die der Sherriff stellvertretend für den Leser
vollzieht und die in eine zutiefst und gerechtfertigte gesellschaftskritische
Richtung sich entwickeln wird.
Philip Meyer versteht es, in seinem Erstlingswerk den Finge rauf die offene
Wunder des Niedergangs einer Gesellschaft westlichen Zuschnitts zu legen. Das
Beispiel des Amerikas, das ihm aus dem Fingern in Buchstaben hinein fließt, ist
ja ein weltweites Phänomen des äußeren, aber auch inneren Niederganges,
bedingt durch fehlende Perspektiven für die Massen und eine stark um sich
greifende Gier bei jener Minderheit, die noch Zugang zu den Fleischtöpfen hat.
Am Schlimmsten aber ist das Erleben, letztlich allein gelassen zu werden mit all
den unlösbaren Problemen, die unverschuldet über die Arbeiterschaft, das
ehemals stabile Rückgrat funktionierender Wirtschaften weltweit. Unlösbare
Probleme, die sich eben wie Rost durch ehemals gesunden Stahl der Gesellschaft
fressen.
Fazit
Ein düsteres Buch in ausgefeilter und emotional einfühlsamer Sprache, das die
Härten des Lebens in den Vordergrund setzt und nur in familiärer oder
freundschaftlicher Bindung kleine Hoffnungsschimmer hinterlässt. Mit leichten
Schwächen in der Ausdifferenzierung der Charaktere, dennoch aber eine
minutiöse und treffende Romanbeschreibung des Niedergangs ehemals stabiler
gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Systeme. Empfehlenswert.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 09. September 2010 2010-09-09 11:23:14