Mit diesem 1994 erschienenen Roman hat sich der amerikanische Bestsellerautor
und Literaturprofessor ein Denkmal gesetzt. Zunächst hat er es damit geschafft,
nicht nur in den USA sondern auch in Deutschland in die Schulen als offizielles
Schulbuch zu gelangen. Das hat natürlich seinen Grund, der unmissverständlich
darin besteht, einen überaus fassbaren Gesellschaftsroman geschrieben zu haben,
der den Spuren John Steinbecks "Früchte des Zorns" nacheifert.
Vielleicht ist es weniger ein Nacheifern als vielmehr ein Update, quasi eine
aktualisierte Fassung des alten Klassikers aus heutiger Sicht. Mittlerweile sind
seit seinem Erscheinen wieder sechzehn Jahre vergangen, aber von seiner Brisanz
hat er nichts eingebüßt. Eher noch ist wahrscheinlich die eine oder andere
überspitze Ironie totale Realität geworden.
Worum geht es? In der für Boyle üblichen Weise schreibt er in abwechselnden
Kapiteln zunächst zwei völlig voneinander getrennt laufende Geschichten. In
der einen Geschichte geht es um eine Familie aus der amerikanischen
Mittelschicht, die in einer gehobenen Wohnsiedlung in der Nähe von Los Angeles
lebt. In der anderen Geschichte geht es um ein mexikanisches Pärchen, die
illegal in die USA gelangt sind, um sich hier den amerikanischen Traum zu
verwirklichen. Dass beide Geschichten irgendwann einmal ineinander fließen,
kann man ahnen, denn die amerikanische Mittelschicht kann nur in solch einem
Wohlstand leben, weil sie gerne die billigen Arbeitskräfte aus Mexiko für sich
arbeiten lassen. Schonungslos zeigt der Autor die Scheinheiligkeit und
Verlogenheit solcher Vorgehensweise auf und benutzt dabei sein unglaubliches
Handwerkszeug für kreatives Schreiben. Die Namen der Mittelständler in der
Wohnsiedlung weisen beispielsweise alle darauf hin, dass sie irgendwie
europäischer Abstammung und somit auch Einwanderer sind. Ihr Sprachstil zeugt
von einer Schulbildung, wie sie für die weiße Mittelschicht üblich ist. Sie
greifen alle mit großer Selbstverständlichkeit auf illegal eingewanderte
Dienstboten zurück. Dennoch sind sie der Meinung, wenn sie sich schon mit einem
Zaun vor den Kojoten schützen müssen, dann können sie aus dem Zaun auch
gleich eine Mauer machen, die sie vor den mexikanischen Einwanderern schützt.
Cándido und América, das Einwandererpärchen hingegen, werden wieder und
wieder von Schicksalsschlägen getroffen, die sie einfach nicht aus der Gosse
kommen lassen. Sie sprechen auch eine viel einfachere Sprache mit weniger
Vokabular. Das bisschen durch mühselige Arbeit verdiente Geld wird gestohlen
oder bei einem Brand vernichtet, das Essen sammelt Cándido aus den Mülltonnen.
Bei dem Kaninchenbraten handelt es sich um einen falschen Hasen, dafür wird
plötzlich eine Katze vermisst. Nur gut, dass América davon nichts mitbekommen
hat. Die Wege dieser beiden so unterschiedlichen Familien müssen sich einfach
kreuzen, bevor es schließlich zum großen Desaster kommt.
Das Leben dieser beiden Familien ist stellvertretend für das Leben in der
aktuellen Gesellschaft. Faszinierend die zu Beginn einführende Geschichte mit
den Kojoten, der sich an die Hunde macht und die als Gleichnis und Symbol fast
eine Vorausschau der späteren Haupthandlung bildet.
Fazit
Der Roman lässt sich schnell und flüssig lesen. Trotz aller
Gesellschaftskritik, die er enthält, sind es unglaublich spannend erzählte
Geschichten, die den Leser bis zur letzten Seite im Würgegriff halten.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 06. September 2010 2010-09-06 14:43:21