Während Kitty Sewells Debütroman "Zeit der Eisblüten" mich nicht
wirklich zu überzeugen vermochte, kann ich "Erbschuld" nur empfehlen.
Im Mittelpunkt des Romans steht die 43-jährige Psychotherapeutin Madeleine,
deren Ehemann acht Jahre zuvor bei einem Orkan ums Leben gekommen ist. Daraufhin
verließ sie ihre Heimat Key West und kehrte in die britische Seestadt Bath
zurück, in der sie einen Teil ihrer Kindheit verbrachte. Dort lebt auch ihre
schizophrene und hellseherisch begabte Mutter Rosaria, eine kubanische
Vodoopriesterin, die in einem Heim untergebracht ist. Auch Madeleines Vater, ein
egozentrischer Maler, der seit langem mit einer anderen Frau verheirat ist, hat
in Bath seinen Lebensmittelpunkt.
Madeleine hat sich in ihrem neuen Leben eingerichtet; aber ihre
selbstauferlegten Regelwerke geraten ins Wanken, als eines Tages eine junge Frau
in ihrer Praxis auftaucht. Es handelt sich um Rachel, eine ehemalige
Prostituierte, die vordergründig Hilfe sucht, um ihre sexuellen Hörigkeit
überwinden zu können. Schon bald findet Madeleine heraus, dass Rachel große
Angst vor ihrem ukrainischen Liebhaber Anton hat. Dieser droht, ihr den
gemeinsamen Sohn zu entziehen. Nach und nach erkennt Madeleine, dass es sich bei
Rachel um ihre eigene Tochter handeln könnte. Um das Kind, das sie als sehr
junges Mädchen bekam und auf Drängen anderer zur Adoption freigeben musste.
Kitty Sewell gelingt es, den Spannungsbogen bis zum Schluss aufrechtzuerhalten,
die allmähliche Entschlüsselung der Geheimnisse aus der Vergangenheit sind
ebenso folgerichtig beschrieben wie die große Macht von Schuld und Liebe.
Erwähnenswert sind auch weitere gelungene Details. Außergewöhnlich
interessant finde ich zum Beispiel die Beschreibung von Ameisen, die Madeleine
seit ihrer Kindheit genauestens beobachtet und die ihr bevorzugtes Malobjekt
sind. Auch Randfiguren, wie der psychotische - deutlich an Hannibal Lecter
angelehnte - Mörder Edmund Furie, den Madeleine allwöchentlich im Gefängnis
besucht, sind der Autorin perfekt gelungen und tragen zur Handlungsverdichtung
bei.
Fazit
Fazit: Dieser ideenreiche Roman ist bestens für zwei bis vier Nachmittage oder
Sommerabende geeignet.
Vorgeschlagen von Heide John
[Profil]
veröffentlicht am 22. Juli 2010 2010-07-22 11:02:07