Wer diesen Roman zur Hand nimmt, was gleich vorneweg sehr zu empfehlen ist, der
wird sich zunächst auf zwei Geschichten einlassen müssen, die im ersten Moment
nichts miteinander zu tun haben. In den sechs Teilen, in denen das Buch
untergliedert ist, wird im Wechsel zunächst die Geschichte von einer
Hippie-Kommune irgendwo in Kalifornien berichtet. Dabei stehen nicht nur die
zwei Personen Star und Ronnie (genannt Pan) im Vordergrund, die den Auftakt
bilden. Sondern mit einem detailgetreuen Wissen um die Abläufe in solch einem
Mikrokosmos, was eine Kommune ursprünglich auch darstellen sollte, gibt der
Ex-Hippie Thomas C. Boyle vielen Figuren Raum in dieser Geschichte. Vielleicht
ist aber gerade das der Grund, warum die Geschichte so detailliert und
authentisch wirkt. So gibt es Norm und seine Frau, dem das Grundstück gehört,
auf dem die Kommune lebt, der dadurch in eine Anführerrolle gerutscht ist, die
er gar nicht gewollt hat. Es gibt Alfredo, den Möchte-gern-Chef der Gruppe, mit
seiner Familie, es gibt die Clique der Schwarzen um Lester, denen unterstellt
wird, dass sie zwar von der Kommune leben, ihr aber nichts beisteuern wollen.
Jeder Tag im sonnigen Kalifornien läuft wie der vorhergehende, und wenn die
Kleinkinder mal zu lästig werden, dann werden sie mit LSD im Orangensaft ruhig
gestellt. Ein Drink, der eigentlich nur für die Erwachsenen gemixt wurde.
Aufregendes, abgesehen von den alltäglichen Problemchen sowie den Klagen der
Nachbarn über diese verlausten Nichtsnutze oder gar eine Vergewaltigung
innerhalb der Kommune, passiert nicht.
In der Parallelhandlung der anderen Teile im Buch geht es um Sess Harder, ein
Mann, der für sich herausgefunden hat, dass ein Leben als einsamer
Fallensteller in einer Blockhütte in Alaska das Leben ist, was für ihn nur in
Frage kommt. Doch er weiß, dass es sich mit einer Frau an der Seite in der
Einsamkeit auch sehr gut anfühlen kann und ist umso mehr überrascht, dass sich
Pamela für ihn interessiert. Ursprünglich wollte Pamela nicht ihn, sie kannte
ihn da noch nicht, sondern Joe Bosky besuchen. Der jedoch nimmt es seinem
Nachbarn später übel, Pamela geheiratet zu haben.
Die Liebesgeschichte um Pamela, Sess und Joe könnte sicherlich auch alleine als
spannender Roman funktionieren, wenn Norm, der Chef von Drop City, nicht die
Schnauze voll von den Behörden und kein Grundstück in Alaska geerbt hätte. Er
setzt allen den Floh ins Ohr, dass sie als Kommune in Alaska ein phantastisches
Leben vor sich hätten, ein Leben in völliger Freiheit und Natur, unbelästigt
von dem ganzen spießigen Kleinbürgertum.
Man ahnt es: an dieser Stelle werden die beiden Handlungsstränge ineinander
geführt. Die Wege von Norm, Ronnie, Star und Sess kreuzen sich und das Desaster
nimmt seinen Lauf. Die Hippies treffen in Alaska auf ein Umfeld, mit dem sie
nicht gerechnet hatten, so hatten sie dieses Land in ihren Vorstellungen und
Träumen nicht gesehen. Es kommt zu einer Vermischung mit den Einwohnern und sie
werden in deren Probleme hineingezogen. Die Unterschiede zwischen einer Kommune
im ewig sonnigen Kalifornien und einer in einem sechs Monate lang bei
Temperaturen weit unterhalb von Null liegendem Alaska sind so gravierend, dass
das Auseinanderbrechen der Gemeinschaft zwangläufig sein muss.
Dass in der Kommune nicht viel passiert, ist natürlich weit untertrieben. Die
detailgenaue Phantasie Boyles schafft genügend spannende Momente, die den Leser
die Zeilen verschlingen lassen. Aber in der Phantasie des Autors mag zwar die
Handlung in der Natur Alaskas gelegen haben, das detailreiche Wissen darüber
verdankt er seinen Recherchen. Außerdem ist Boyle eines seit seiner Hippie-Zeit
geblieben: die Liebe zur Natur. Auch heute noch wandert er tagelang durch
abgeschiedene Landschaften.
Boyle ist ein großes Epos über ein als alternativ möglich gesehenes
Gesellschaftsmodell, welches mit dem heutigen Abstand auch in seinen Augen als
gescheitert anzusehen ist, gelungen. Er schreibt von Menschen, die davon reden,
im Einklang mit der Natur zu leben (wie die Hippies) und von solchen, die es
tatsächlich tun (wie die Einsiedler in Alaska). Boyle schreibt von Menschen,
deren Naivität schier grenzenlos zu sein scheint, die damit aber nichts anderes
als das blanke Chaos hervorrufen. Der Zusammenbruch der Gemeinschaft wird
schließlich dadurch symbolisiert, dass die Hippies plötzlich ihre Namen auf
das Geschirr kratzen, wo bis dato doch allen alles gehörte.
Fazit
Ein Buch, welches unbedingt gelesen werden sollte.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 20. Juli 2010 2010-07-20 18:17:58