Frösche werden wach geküsst
Was hatte der verwunschene, in einen Frosch verwandelte, Prinz im Märchen doch
für ein Glück. Ohne große Anstrengung kam das schöne Mädchen, küsste ihn
und fortan waren sie glücklich bis an ihr Lebensende.
Was ein Glück angesichts der unzähligen Anstrengungen unserer Breitengrade,
dass jeweils andere Geschlecht auch nur ein wenig auf sich aufmerksam zu machen.
Unsere feste Überzeugung zudem ist natürlich noch, dass das nicht als Frosch
(oder Fröschin) funktioniert. Fitness, Sport, Muskeln, teure Kleidung,
atemberaubende Düfte, coole Haltung (auf keinen Fall so wirken, als wolle man
jemanden kennen lernen) bis hin zum Winken mit diskreten oder weniger diskreten
Statussymbolen und dabei all überall dieses leicht verkrampfte Gefühl im
Magen, wenn es darum geht, den ersten Schritt des Flirts zu wagen, das ist nun
mal erkennbar viel mehr die Realität des Spieles der Geschlechter, als als
hässlicher, dicker Frosch (oder Fröschin) in der Ecke zu sitzen und
wachgeküsst zu werden.
Aber muss das so bleiben, diese Realität der anstrengenden Annäherung an
mögliche Wunsch- oder einfach nur Sexualpartner?
Nein, muss es nicht, behauptet zumindest Daan van Kampenhout in der, passend
benannten, Reihe "Lebenslust" des Carl Auer Verlags. Weit gefehlt
aber, wer jetzt hier einen der vielfachen Flirtratgeber zweifelhafter Qualität
erwartet.
Van Kampenhout selber hat in den verschiedensten Kulturen Verhaltensweise der
Menschen und Ausbildungen erfahren. 1993 bereits gründete er seine Praxis für
Rituale und Schamanismus und ist gefragter Seminarleiter und Coach. So ist es
folgerichtig, dass er nicht mit Äußerlichkeiten oder einer Sammlung von hohlen
Sprüchen aufwartet.
Sein Ansatz ist, bevor es zum Kontakt zu andern kommt, die Aufräumarbeit bei
sich selbst anzugehen. Sich selbst in den Blick nehmen, die eigenen Stärken und
Schwächen, die eigene Lebensgeschichte mit all ihren festgefahrenen Bildern und
Verkrustungen, hier setzt der erste Schritt an, irgendwann gefunden werden zu
können von einem anderen. Spannend und ungewohnt ist es, wie sehr er Wert
darauf legt, dass zunächst das eigene "Lebenshaus" in Ordnung
gebracht wird, bis dahin, alte Rechnungen zu begleichen und eigene Versäumnisse
an anderen auf dem Lebensweg ehrenvoll wiedergutzumachen.
Logisch und Folgerichtig aber, denn auf dem Weg zu einem fließenden und
beglückenden Leben mit jemand anderem stehen uns weniger die Kleidung oder die
Parfüms im Wege, mehr aber wir selber mit unseren alten und festgefahrenen
Mustern. Muster, zu denen auch idealisierte und meist illusorische Bilder von
Traumpartnern oder -Partnerinnen gehören, die uns im hier und jetzt letztlich
nur daran hindern, für das offen zu sein, was gerade an möglichen Verbindungen
im Raum steht. Wunderbar, wie Kampenhout unseren Blick von fertigen
Beziehungsfröschen auf mögliche Kaulquappen lenkt, die natürlich nicht sofort
einem illusionären Ideal einer Beziehung entspricht, deren Vorteil aber die
Realität und die Chance einer echten Entwicklung ist.
Natürlich, das zur Beruhigung, bleibt van Kampenhout nicht dabei stehen,
einfach nur schüchtern in einer Ecke zu warten. Er bietet durchaus eine
Vielzahl von Aktionsmöglichkeiten, die aber alle ihren Ursprung in einer
weitestgehend inneren Freiheit haben, sich dem zu nähern und anzuschließen,
was an Möglichkeiten intuitiv erkannt wird und wirklich vorhanden ist.
Fazit
Erfrischend anders, unglaublich entspannend und jede Verkrampfung endlich zur
Seite legen, mit einem tiefen Verständnis für den Menschen, die inneren
Blockierungen durch vielfach schwierige Erfahrungen und mit einer gehörigen
Portion Humor bei aller Ernsthaftigkeit seiner Betrachtung und des Themas
eröffnet van Kampenhout faszinierende Wege für ein mit den anderen und sich
selbst verbundenes Leben.
Wege, die er konsequent mit absolut praxistauglichen Übungen versieht. Beim
Lesen bereits wird die Lust daran entfacht, all diese Hinweise einfach zu
erproben. Eine Lust, die vor allem dadurch gefördert wird, dass er alle Angst
vor Blamagen oder dem Gefühl eines persönlichen Nicht Genügens
entgegenwirkt.
Wunderbar und umsetzbar geschrieben, den Nagel der Schwierigkeiten heutiger
Tage, einander zu finden, auf den Kopf treffend und neue Möglichkeiten in den
Raum stellend. Ebenso bestens für eine therapeutische Arbeit an der
Beziehungsfähigkeit geeignet.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 18. Juli 2010 2010-07-18 14:16:06