Nicht ist, wie es scheint
John Lescroart gibt in diesem Buch einer anderen Person aus seinem "Dismas
Hardy Universum" breiten Raum. Im Verlauf der Entwicklung seiner Figur des
charismatischen Anwaltes und Barmitbesitzers Dismas Hardy in vorangegangenen
Büchern sind eine Reihe weiterer Figuren um Dismas Hardy herum hinzugestoßen,
deren Kern nun eine gemeinsame Anwaltskanzlei betreibt.
Gina Roake beendet die Trauer um David Freeman, Anwaltslegende, Vermieter und
Förderer von Dismas Hardy. Nachdem sie sich bereits nach Freemans Tod in einem
der früheren Bücher mit Hardy und einem Freund zu einer neuen Sozietät
zusammengeschlossen hatte, ist sie nun bereit, sich wieder ihrem Beruf
zuzuwenden.
Es trifft sich, dass sie vom Mord an Caryn Dryden erfährt. Ärztin und Ehefrau
eines Schriftstellers, von dem sie sich allerdings aktuell scheiden lassen
wollte. Als der ermittelnde Polizist David Juhle auf immer mehr Ungereimtheiten
stößt, deutlich wird, dass eine Versicherungssumme in Millionenhöhe auf
Stuart Gorman, den Witwer ohne wirkliches Alibi wartet und die Indizien gegen
Gorman sich verdichten, erhält Gina das Mandat der Verteidigung Gormans.
Juhle und Gina Roake treiben nun die Geschichte von entgegen gesetzten Seiten
her an. Juhle sucht (und findet vermeintlich) mehr und mehr Hinweise, die das
Netz um Stuart Gorman enger werden lassen, Gina und ihre Mitarbeiter suchen (und
finden vermeintlich) Indizien, die Stuart Gorman entlasten. Andererseits aber
trifft auch Gina auf Beobachtungen, die ihre Unschuldsvermutung ins Wanken
bringen könnten. Zudem sieht sie sich einer immer breitere Kreise ziehenden
Vorverurteilung ihres Mandanten in der Öffentlichkeit gegenüber.
Schritt für Schritt taucht sie ein in die verwickelten Umstände des Mordes,
setzt sich auf die Spur eines möglichen Liebhabers der Ermordeten, muss aber
auch erkennen, dass Stuart Gorman nicht immer mit offenen Karten spielt. Gut,
dass sie Unterstützung von ihren Freunden und Partnern, allen voran Dismas
Hardy, erhält. Dennoch werden die wahren Hintergründe (und natürlich der
Täter) des familiären Dramas erst ganz zum Schluss offenkundig. So fallen auch
erst zum Ende hin die im Buch angelegten Indizien in die richtige und, im
Nachhinein klar erkennbare, logische Abfolge.
John Lescroart steht für sauber recherchierte und das Justizwesen der USA
detailliert beschreibende Geschichten. Zudem ist es nicht seine Art, ständig
vermeintlich atemlose Action in den Raum zu setzen, sondern seinem Stil
entspricht ein eher behutsames Erzählen, dass sich Zeit lässt vor allem mit
den von ihm entwickelten Figuren.
Hier sind sowohl die äußeren Beschreibungen wie die nachvollziehbar
dargestellten emotionalen Aspekte eine seiner erzählerischen Stärken bis in
die Nebenfiguren hinein.
Auch in diesem Buch lässt er sich zu Beginn Zeit, sowohl seine Protagonisten
vorzustellen und zu entfalten, als auch die Szenerie der familiären
Verwicklungen prägnant heraus zu arbeiten. So gibt er dem Leser Seite für
Seite die Gelegenheit, nachzuvollziehen, was in den und um die Personen herum
geschieht. Mehr und mehr zieht er so die Leser in seine Welt mit hinein, bis man
fast den Eindruck hat, Beteiligter am Geschehen zu sein. Sparsam, aber immer zum
richtigen Zeitpunkt, setzt er dabei Momente der Spannung, die zugleich die
Geschichte nach vorne befördern.
Fazit
"Mordverdacht" ist ein intelligent erzählter Thriller, der auf gut
550 Seiten die tödliche Seite einer verrannten Liebe bestens entfaltet und bis
zum Ende hin offen lässt, was wirklich passiert ist. Das Buch wird getragen von
überzeugend dargestellten Figuren und einer Geschichte ohne logische Brüche.
Beste Unterhaltung.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 17. Juli 2010 2010-07-17 16:05:54