Gekündigt, aber richtig!
Diese Firma legt Wert auf eine menschliche und empathische Form der Kündigung,
wenn es an der Zeit ist, Mitarbeiter freizusetzen. Er selbst hätte es sich
nicht träumen lassen, aber nachdem der Verkaufsleiter (bis dato zuständig für
die humane Entlassung) ohne weitere Umstände entlassen wurde, im Folgenden die
Mitarbeiter aber lautstark protestieren über die nun einziehende pragmatische
Form der Entlassung, gewinnt er einen firmeninternen Wettbewerb um das beste
Kündigungsschreiben.Niemandem sonst gelingt es, in solch herausragend
sprachlicher Form den Gekündigten den Eindruck zu vermitteln, dass ihnen eine
Chance eröffnet und nicht ein Arbeitsplatz entzogen wird.
Wie in diese Tätigkeit nun rutscht der Protagonist des Buches seiner Natur nach
in vieles andere mit hinein. So übernimmt er nicht nur die Kündigungsschreiben
vom entlassenen Verkaufsleiter, sondern im Folgenden auch noch die Pflege seiner
Kinder, als dieser sich einer Operation mit ungewissem Ausgang unterziehen
muss.
In gleicher Weise, wie sein Leben turbulenter wird, gestaltet er die immer
größer werdende Zahl an Kündigungsschreiben elegischer. Seine Kollegen nennen
ihn nur noch den Killer, seine Vorgesetzten sind restlos begeistert, aber das
Ende der Spirale winkt schon am Horizont.
In wunderbarer Sprache, mit einem staubtrocken-ironischem Humor schreibt Andrea
Bajani die Geschichte der epischen Kündigungen und des Verfassers derselben.
Wie beiläufig zieht er den Leser mit hinein in diese immer aberwitziger
verlaufende Geschichte, in deren Ablauf der Protagonist seltsam anonym bleibt,
sich nur durch seinen Sprachstil und seine lakonischen Handlungen in seinem
Charakter zu erkennen gibt.
Wie beiläufig legt er ebenso den Finger auf die Wunde des modernen Berufsleben,
der ständigen Unsicherheit über den Arbeitsplatz, der Austauschbarkeit von
Menschen, die nur mehr als Funktion gesehen werden und der immer weiter um sich
greifenden Sucht nach Verschlankung. Und stellt demgegenüber die tiefe Empathie
und persönliche Ausrichtung der Kündigungsbriefe, die letztlich doch nur ein
Hohn ist, denn es geht nur um eines, dass die Mitarbeiter friedlich ihren
Arbeitsplatz verlassen (und dafür noch nicht einmal Karton zur Verfügung
gestellt bekommen, das ist firmenintern verboten, obwohl es natürlich genügend
Kartons gibt).
Lächelnde Gewalt, verpackt in ein aufgesetztes und nur äußerlich
geschauspielertes Mitempfinden ist es, was in der Firma tagtäglich passiert.
Andrea Bajani versteht es, diese innen liegende Gewalt, die Verwirrung, die
Bitterkeit und Hoffnungslosigkeit angesichts der Ohnmacht am Arbeitsplatz
minutiös mitschwingen zu lassen in seiner Geschichte einer ganz besonderen
"Karriere". Die er meisterhaft geschrieben, zu einem ganz
überraschenden, im Nachhinein betrachtet aber folgerichtigem Ende führt.
Das Nachwort von Ascanio Celestini lässt am Ende dann aber alle literarischen
Beschönigungen und ironisch beiläufige Schilderungen weg und spricht in
Faktensprache von der inneren Verfassung der Angestellten, nicht nur in Italien.
Ein Nachwort, dass dem Buch eine durchschlagende Basis noch einmal gibt.
Fazit
Im Gesamten ein erschreckender, ernüchternder, aufwühlender Blick auf die
Berufsrealität unserer Zeit, sprachlich in bester Form als Roman dargereicht
mit einem Protagonisten, der so anders daher kommt, dass man nur fasziniert
seinen Weg mit verfolgen kann.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 11. Juli 2010 2010-07-11 20:04:22