"Sie haben exakt 20 Sekunden Zeit" - um Ihren Chef im Aufzug von einer
Idee zu überzeugen, hieß es früher bei McKinsey. Nach 20 Sekunden schweift
die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer oder Leser ab. Im Zeitalter knapper
Twitter-Meldungen stehen Ihnen rund 140 Zeichen zur Vergügung, um Ihre Leser
für sich zu gewinnen. Wolf Schneider führt einige gelungene erste Sätze auf.
"Gestern war einer der Tage, an denen ich verstanden habe, warum Frauen
ihren Männern Strychnin ins Essen rühren" - besteht aus nur 115 Zeichen
und wird einige von Ihnen zum Weiterlesen verführen. Schneiders Schreibratgeber
für die Generation Twitter gliedert sich in 32 knappe, einprägsame Rezepte.
Texte müssen sich heute behaupten zwischen getwitterten, gebloggten und
gemailten Wörtern, die uns täglich überschwemmen. Sie haben keine zweite
Chance, wenn Sie ihren Leser verloren haben, erinnert der Autor.
Goethe und Kafka bemühten sich noch um ihre Leser; denn sie wollten gelesen
werden. Wenn Korrekturprogramme verführen, unüberlegt drauflos zu schwallen,
mag sich mancher die Zeit von Schreibfeder und Streusandbüchse wieder zurück
wünschen. Nicht geschwätzig sein, ist eine der Faustregeln, die Schneider in
der Ausbildung von Journalisten predigt. Wenn Wörter "Hände und Füße
haben", wie Martin Luther verlangte, kann sich der Schreiber der
Aufmerksamkeit seiner Zielgruppe sicher sein. Schneider rechnet mit
eingerosteten Metaphern ab, fordert auf, wenigstens einen Mast zu üppiger
"Wort-Dreimaster" zu kappen und grenzt witzige von albernen
Bemerkungen ab. Falsch gebrauchte Verben erhalten von ihm die rote Karte, ebenso
übertriebene Anglizismen. Für den Ausdruck Cluster gäbe es im Deutschen
allein 20 unterschiedliche treffende Ausdrücke, mahnt der Altmeister der
Deutschen Sprache an. Sie werden auf Klischees und Schablonen hingewiesen und
erhalten Tipps für das Verfassen von Auftragstexten. Konkret - knackig - kurz
- so hat Schneider es am liebsten. Die zumutbare Länge eines Satzes werde von
der Zeilenlänge klassischer Gedichte definiert, erinnert er. Der ideale Text
sei für die Ohren geschrieben, erfahren Sie im Kapitel "Schreiben für
Hörer", ehe Sie sich über das Verfassen von Reden, Mails,
Twitter-Meldungen und blog-Beiträgen informieren können. Die Hinweise auf das
Texten von Gebrauchsanweisungen und Bewerbungen fallen m. A. zu kurz aus,
könnten jedoch als Schneidersche Köder wirken, sich ausführlicher mit dem
Thema zu beschäftigen. Die Zahl der Menschen sinkt, die bereit sind, mehr als
Info-Häppchen zu lesen, erinnert der Autor abschließend. Sie haben 140
Zeichen!
Fazit
Schneiders eingängige Rezepte aus seinem jüngsten Schreibratgeber haben mich
sofort geködert, noch einmal
Deutsch! in die Hand zu nehmen und den Kampf mit eingefahrenen
Sprach-Verhunzungen aufzunehmen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 15. März 2010 2010-03-15 08:59:41