Im "Schwarzbuch Deutsche Bahn" listen die Autoren fein säuberlich
alle möglichen Skandale über die Deutsche Bahn auf. Trotz des Umfangs von rund
300 Seiten (allerdings inklusive langer Listen und Quellenangaben) ist es den
Autoren gelungen, das Buch abwechslungsreich zu gestalten. (Was sicherlich auch
daran liegt, dass es genug Kritikpunkte an der DB gibt.) Natürlich muss man im
Hinterkopf behalten, dass es sich eher um ein Sachbuch handelt, richtige
Spannung darf man somit nicht erwarten.
Leider wird dabei nicht an Polemik gespart. Natürlich erwartet man von einem
"Schwarzbuch" Kritik und keine Lobeshymnen, allerdings darf solche
Kritik durchaus sachlich bleiben. Teilweise reiten die Autoren ausführlich auf
Kleinigkeiten herum oder zitieren lang und breit Briefe, in denen sich
Fahrgäste über die Bahn beklagen. Viele der kritisierten Punkte sind auch
keine Neuent- oder -aufdeckungen, sondern bereits massiv durch die Medien
gegangen.
Besonders wichtig ist - zumindest für mich - bei solchen Büchern jedoch, dass
die Fakten stimmen. Das kann man normalerweise als "Outsider" schlecht
beurteilen. Besonders aufgefallen ist mir als Informatikstudent jedoch der
große Screenshot in der Mitte des Buchs, der einen Beweis zeigen soll, dass die
Bahn ihre Mitarbeiter ausspäht. Dieser zeigt die Ausgabe des
"netstat"-Befehls auf einem Mitarbeiterrechner, hervorgehoben und mit
einem "Lauscher-Ohr-Symbol" markiert sind die Einträge, bei denen
"ABHÖREN" angezeigt wird. Dummerweise bedeutet "ABHÖREN"
bei der Ausgabe des Programms nicht, dass da etwas spioniert, sondern lediglich,
dass eine Software eine Verbindung erwartet. Das kann zwar auch eine
Spionagesoftware sein, jedoch sind alle "ABHÖREN"-Einträge markiert,
inklusive derer, die bei Windows immer dabei und völlig normal und harmlos
sind. Im besten Fall ist das äußerst schlampige Recherche, im schlimmsten Fall
gezielte Irreführung der Leser. So etwas wirft natürlich einen immensen
Schatten auf das gesamte Buch - wenn sich jemand so gravierende Mängel erlaubt,
kann man sich auch auf die restlichen Behauptungen nicht wirklich verlassen.
An der äußeren Form fällt die edle Verarbeitung und das verwendete schwere
Papier auf. Die Kapitel werden mit Karikaturen eingeleitet.
Ideal ist das Buch für diejenigen, die sich gerne über Missstände aufregen,
sich gerne in der Kritik an der Bahn bestätigt sehen und die Medien nicht
ständig verfolgen und so noch nicht über die meisten Bahnskandale Bescheid
wissen - das dürfte auch die Zielgruppe sein. Wer eine Auflistung von
potentiellen Problemen bei der Bahn als Grundlage für eine eigene Recherche
sucht, wird ebenfalls zufrieden sein. Wer jedoch sachlich informiert werden
möchte, dem kann man das Buch leider absolut nicht empfehlen.
Fazit
Leider haben sich die Autoren entschieden, aus dem "Schwarzbuch" eine
Hetzschrift zu machen. Damit ist die "Stammtischniveau"-Zielgruppe gut
bedient, sie kann sich bestärkt fühlen in ihrer eigenen Kritik und wird an dem
Buch sicher gefallen finden. Guter investigativer Journalismus jedoch sieht
anders aus. Ich vergebe 5 Sterne - wenn man zur Zielgruppe gehört, wird man auf
seine Kosten kommen und möge sich 9 Sterne denken, ansonsten gehören da eher
2-3 Sterne hin und man kann die knapp 20 Euro, die das Buch kostet, besser
investieren. Diese Teilung sieht man auch an den
Amazon-Rezensionen, wo meist entweder die beste oder die
schlechteste mögliche Bewertung abgegeben wurde.
Vorgeschlagen von Jan Schejbal
[Profil]
veröffentlicht am 03. März 2010 2010-03-03 09:21:36