Der zweite Band von Kerstin Giers Trilogie beginnt mit einem Prolog, der im
Jahre 1602 angesiedelt ist und führt die Leser sofort mitten in die
ereignisreiche, spannende Welt der Zeitreisenden. Man muss den Vorgänger
"Rubinrot" nicht gelesen haben, um sofort dem geschickt konstruierten
Spannungsbogen zu verfallen. Sollte es aber, denn Rubinrot ist ebenfalls ein
wunderbar geschriebener Roman, dessen Bann sich nicht nur jugendliche Leser kaum
zu entziehen vermögen.
Die 16-jährige Gwendolyn Shepherd plagt sich mit den gleichen Dingen wie ihre
Altersgenossen: Sie muss für die Schule lernen, hat Freunde und
"Feinde", schwelgt in den intensiven Gefühlen des ersten
Verliebtseins und leidet unter den damit einhergehenden Zweifeln, Verwirrungen
und dem oft unerklärlichen Verhalten Gideons, der sie mal hingebungsvoll küsst
und sich dann wieder ausgesprochen ablehnend verhält.
Was Gwendolyn jedoch gravierend von Gleichaltrigen unterscheidet, ist ihr - im
ersten Band entdecktes - Zeitreise-Gen. Abgesehen davon, dass es gar nicht so
leicht ist, sich plötzlich in einem anderen Jahrhundert wiederzufinden und sich
dessen Gepflogenheiten anpassen zu müssen, hat Gwendolyn eine große Aufgabe zu
erfüllen: Sie ist der Rubin im Kreise der Zwölf. Gemeinsam mit dem schwer zu
durchschauenden zwei Jahre älteren Gideon de Villiers, dem Diamant, reist sie
durch die Zeit, um Lucy und Paul zu finden, die im Verdacht stehen, den
Chronografen gestohlen haben.
Kerstin Gier hat einen intelligenten Roman geschrieben, der Jugendliche
ernstnimmt und ihnen auch zutraut, sich mit Shakespeare, geheimen Logen, dem
Grafen von St Germain und in dieser Generation nicht ganz so gängigen Songs wie
"Don't cry for me Argentinia", Bon Jovis "Hallelujah" zu
beschäftigen. Ganz hervorragend ist auch der Dialog der beiden Protagonisten in
deren Verlauf die "Romane" "Amethystschnee" und "Die
Bernsteinlawine" vorkommen. Für den Einfallsreichtum der Autorin spricht
nicht nur das Panoptikum aus unterschiedlichste menschlichen und
nichtmenschlichen Figuren - und hier ist vor allen Dingen der unglaublich
putzige, sprachkreativ witzige Wasserspeierdämon Xemerius zu erwähnen.
Originell fand ich persönlich auch den zu knackenden Code am Ende des Romans.
Obwohl ich zwei Anläufe brauchte, weil mich der erste zu dem Wort
"ihrsnegraf" brachte...
Sehr einfallsreich sind auch neue Worte wie elapsieren, die vermutlich umgehend
in den Sprachgebrauch eingehen werden...
Fazit
Die Mischung aus temporeicher Spannung, Liebe, Intrigen, Rätseln und Sprachwitz
sorgt dafür, dass man den Roman nicht aus der Hand legen kann, bevor die letzte
Seite gelesen ist. Man möchte wissen, was geschehen wird, wenn das Blut aller
Zeitreisenden im Chronografen versammelt ist. Und man will wissen, warum Gideon
sich Gwen gegenüber streckenweise so ablehnend verhält. Und man muss wissen,
wie sich schlussendlich alle Fäden verknüpfen. Genau diese im Leser erzeugte
Neugierde macht einen guten Roman aus. Aus diesem Grund freue ich mich schon
jetzt auf Smaragdgrün.
Vorgeschlagen von Heide John
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veröffentlicht am 09. Februar 2010 2010-02-09 18:50:47