Die Kraft des Außenseiters liegt in seinem Exotismus, der ihn zu einem
gefährlichen und anziehenden Wesen macht. Er repräsentiert einen anderen
Menschen, eine andere Lebenshaltung. Sie steht für vieles, was heute selten
geworden ist: Stille, Kraft, gegen den Strom zu schwimmen, die Muße im Studium,
der Genuß von großen geistigen Werken, die Liebe zur Natur, der Sinn für das
Historische und seine heute noch sichtbaren Hinterlassenschaften. Für jene, die
dies nicht zu sehen vermögen, triumphiert das profane Leben, von dem nach dem
Rückzug Gottes nur noch die prosaische Seite übrig bleibt, versinnbildlicht
durch die Banalität oder den Sieg der bürgerlichen Ordnung: Mittelmäßigkeit,
Geisteslosigkeit, Gewöhnlichkeit, Betrieb, Erwerb, Sucht nach unendlicher
Unterhaltung. Der Mensch von heute leidet darunter, daß er nicht mehr leiden
will, genau wie man krank darüber werden kann, ständig der perfekten
Gesundheit nachzujagen.
Der Arnshaugk-Verlag ist ein Verlag für eine explizit deutsche Dichtung und
eine konservative Lebensschau, dessen Verlagsprogramm vielmehr die Seite des
überzeugten Exotismus repräsentiert, als weniger den ausgetretenen Pfad der
Mittelmäßigkeit. Allein dies macht das vorliegende Lesebuch mit seinen
Beiträgen zu einem fundierten Werk, das einen Einblick in das komplette
Programm des Verlages gewährt und zudem die Grundhaltungen repräsentiert,
welche die Macher und Autoren des kleinen aber feinen Verlages vertreten. Das
Werk beinhaltet Texte zum historischen Arnshaugk, südlich von Neustadt an der
Orla (Thüringen) gelegen, und seinem heutigen Kunsthandwerk. Der Name wird
gedeutet als Adlerhügel oder Adlerhorst; die gleichnamige Burg und das Amt
gelten als alte Machtzentren im Orlagau. Die historische Verortung und
Verantwortung des Verlages wird anhand der eindeutigen Entscheidung für den
Namen "Arnshaugk" erkenntlich. So wird neben der Weltschau des
Verlages zudem dessen Verwurzelung dokumentiert, indem zugleich eine fundierte
Heimatkunde dargeboten wird. Nur wenige Verlage können es sich zugute Halten,
Verlagsprogramm, eigene Historie und die Historie der geographischen Umgebung
derartig zu einem Rahmenkonzept zu vereinen. Dies macht das vorliegende Buch so
unterhaltsam und überzeugend.
Das Buch enthält Essays zur Gedichtform und zur Verlagsgeschichte von Sebastian
Martius, Andreas Müller, Rudolf Drechsel, Fritz Usinger oder Wolf von
Aichelburg. Hervorstechend ist ein Text "Über das Wesen der Form" von
Fritz Usinger. Form sei das, was Existenz verleiht. Sie sei Ausdruck des Wesens
aller Dinge; sie mache die höchste Idee sichtbar. Gleichsam passend steckt auch
hinter dem Arnshaugk-Verlag eine spezielle Idee, die der Leser zu verstehen
vermag, wenn er dieses Lesebuch studiert. Dem eingangs beschriebenen Bilde des
"Exoten" entspricht der Text von Wolf von Aichelburg "Der
Weise", in dem er feststellt, der Weise sei einsam unter den Menschen. Er
richte nicht, er schaut. Daß er aber schaut und nicht urteilt, vertrügen die
Massenmenschen nicht und würfen ihm deshalb Unsittlichkeit vor. Weitere
Beiträge wie eine Tagebuchnotiz des Dichters Rolf Schilling zu Serge Mangin und
zwei Buchbesprechungen von Daniel Bigalke und Wolfgang Schühly zum Jahrbuch
für Natur und Mythos und zu Florian Kiesewetters "Sternbildsonate"
zeugen von einem Verlagsprogramm, das eine besondere Schau der Dinge lehrt. Es
bezeugt eine Liebe zum Leben, die zugleich darum weiß, das Leben nicht nur
heißen kann, heimatlich entwurzelt zu sein und dafür hingegen im Konsum als
neuer Heimat unendlich glücklich sein zu wollen. Auch spiegeln die Texte eine
besondere Liebe zur Natur wider. Der Mensch hat sich der Natur entfremdet und
abgewendet. Er ist nun ohne Halt, ist zu einem Gestalter geworden und aus dem
selbst Gestalteten hat er sich seine technologischen Götter geschaffen. Er ist
zum Sturz verurteilt, denn er hat auch Gott verlassen. Je mehr er sich von der
Natur entfernt, desto mehr geht er seinem Untergang entgegen.
Irgendwo verbinden sich die literarisch-philosophischen mit den
wissenschaftlichen Systemen, und beide stützen dann eine bestimmte Weltsicht,
die einen großen Einfluß auf die Gesellschaft hat. Das vorliegende Buch,
dessen Abschluß Biographien aller Autoren und ein kommentiertes Verzeichnis
aller Bücher des Verlages bietet, möchte eine alternative Weltsicht
vorstellen. Es ist das so bisher nie dargebotene Bild einer Schaffenskraft
innerhalb eines kleinen Verlages, der weiß, daß sich der denaturierte,
verbürgerlichte Mensch von heute nicht nur in den medial vorgelebten
Institutionen wiederfinden muß, sondern daß es da mehr gibt, an dem man sich
orientieren kann. Freiheit ist nicht ein Kern, der zurückbleibt, wenn alle
Natur unterjocht ist.
Fazit
Der fundamentale Akt der Freiheit ist der des Verzichtes auf Unterjochung eines
Unterjochbaren, zu dem man sich sehr leicht machen läßt. Dies wiederum läßt
den Nimbus des Gegenpols, des Exoten, neu aufscheinen. Er ist geprägt durch den
Akt des Seinlassens und getragen von der Orientierung an anderen Kraftquellen:
Geschichte, Mythos, Natur, Weisheit, Form, Geist, Lyrik und vieles mehr.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 07. Februar 2010 2010-02-07 11:04:04