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Kristín Marja Baldursdóttir: Die Farben der Insel

Die Farben der Insel

von Kristín Marja Baldursdóttir (Biografie)
Verlag: Krüger Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-8105-0264-3

Preis: 6,10 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. Dezember 2024]
Karitas verdient ihren Lebensunterhalt in einem kleinen isländischen Dorf als Zeichenlehrerin und malt in ihrer Freizeit. Die Malerin hat einen ungewöhnlichen Lebensweg hinter sich (Die Eismalerin). Nach einer kurzen Ehe, während der sie in drei Jahren vier Kinder zur Welt brachte, lebt sie nun allein. Ihren Mann Sigmar hat Karitas seit über 10 Jahren nicht gesehen, eine ihrer Töchter wurde von Karitas Schwester aufgezogen. Die allein lebende Frau empfindet sich als Fremdkörper im Ort; denn die Erwartungen der Dorfbewohner, wie sich eine Mutter mehrerer Kinder zu verhalten hätte, kann Karitas nicht erfüllen. Ihre verhaltene Anerkennung drücken die Nachbarinnen damit aus, dass sie Karitas einmal im Jahr beauftragen, die Kulissen für ein Theaterstück zu malen. Auch in der Mitte ihres Lebens wird Karitas noch immer von Selbstzweifeln geplagt; sie vermisst die Anerkennung ihrer Arbeit als Künstlerin durch ihre erwachsenen Kinder.

Von ihrem Jugendfreund Despi lässt sich Karitas überreden, eine Weile in Paris zu arbeiten. Kurz vor ihrer Abreise stellt Karitas Sohn ihr seine 2-jährige Tochter Silfá buchstäblich auf die Tür-Schwelle, bevor er selbst wieder zur See fährt. Karitas will die Kleine auf keinen Fall Fremden anvertrauen und dennoch ihre eigenen Pläne verwirklichen. Ihr bisheriges Leben war von der klaren Ansage geprägt, dass nur Männer herumzigeunern während von Frauen Verlässlichkeit erwartet wird. Obwohl Karitas als junge Frau kaum mütterliche Gefühle für ihre eigenen Kinder entwickeln konnte, bleibt sie so stark der Mutterrolle verhaftet, dass sie es nicht übers Herz bringt, ihre Enkelin in Island zurückzulassen. Schon lange will Karitas sich nicht mehr um andere kümmern müssen. Weil das kleine Mädchen nicht bei fremden Leuten aufwachsen soll, nimmt sie die Kleine kurz entschlossen mit nach Paris. Als Frau in fortgeschrittenen Alter, die ein Kleinkind zu versorgen hat, findet die isländische Malerin sich nur sehr langsam in der fremden Umgebung zurecht. Während man in Paris über die Forderungen Simone de Beauvoirs diskutiert, fühlt sich Karitas von den auf sie einstürmenden neuen Endrücken und der neuen Sprache überwältigt.

Rund 10 Jahre später ist die Malerin zurück in Reykjavik; aus ihren Andeutungen lässt sich schließen, dass sie inzwischen in New York gelebt hat. Während ihrer Abwesenheit kreisten Karitas Gedanken immer um Island, mitten in Paris überwältigte sie die Sehnsucht nach dem isländischen Sommer. Immer noch hadert Karitas mit der mangelnden Anerkennung ihrer Familie. Von ihrer Mutter hat sie sich nie als Künstlerin anerkannt gefühlt - oder konnte die unausgesprochene Anerkennung ihrer Mutter nicht wahrnehmen. Weil Karitas den Verlust ihrer eigenen kleinen Tochter nie verwunden hat, wird die Erziehung der Enkelin zum zentralen Projekt in ihrem Leben. Auf den Leser wirkt Karitas beinahe alterslos und verblüffend vital. Sie selbst gibt kaum zu erkennen, dass sie altert. Allein die Begegnung mit Sigmar, mit dem sie offiziell noch immer verheiratet ist und mit der heranwachsenden Silfá, deuten an, dass Karitas inzwischen hochbetagt auf ein erfülltes Leben zurückblicken kann. Kaum zu glauben, dass ihre Schwester Barghildur glaubt, Karitas noch immer wegen ihres Lebensstils herunterputzen zu müssen und ihr das Recht abzusprechen für die inzwischen schulpflichtige Silfá zu sorgen.

Karitas erzählt in der Ich-Form von entscheidenden Phasen ihrer Entwicklung als Künstlerin, von Zyklen aus Fortgehen und Heimkehr nach Island. Sie überspringt dabei ein ganzes Jahrzehnt ihres Lebens. Eine neutrale Erzählerstimme unterbricht im Ton einer Künstlerbiografie die Handlung, analysiert Karitas' Kunstwerke. Was der Künstlerin möglicherweise selbst nicht bewusst war oder was sie lieber verdrängen würde, erfahren wir so aus der Feder eines neutralen Biografen. Mit wachsender Neugier fragt man sich, wer diese mit Karitas Bildern so vertraute Person sein mag.

Kristín Marja Baldursdóttir lässt uns mit ihrem zweiten Roman um die isländische Malerin Karitas einem ungewöhnlichen Lebensweg voller Entehrungen folgen. Bis in die Gegenwart steht Baldursdóttirs Heldin dabei ein Frauenbild entgegen, dass bis dahin nur Männern eine Karriere als Künstler oder Musiker zubilligte, während Frauen zusätzlich zur Kinderbetreuung nebenbei ein wenig malen durften. Die Handlung spielt nach dem Zweiten Weltkrieg, während die USA in Island einen Militärstützpunkt unterhielten, und deutet die damaligen Umbrüche in der isländischen Gesellschaft an.
Fazit
Karitas ungewöhnlicher aus wechselnden Perspektiven erzählter Lebensweg sowie der Blick auf die raue isländische Landschaft mit den Augen einer Malerin machen das Buch für mich zu einem unvergesslichen Leseerlebnis.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne
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Sterneneis

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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 04. Februar 2010

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