Die 8-jährige Madeleine kehrt 1962 mit ihren Eltern aus Deutschland nach
Kanada zurück. Der Vater war bei den Kanadischen Streitkräften stationiert
gewesen. Der Zweite Weltkrieg ist bei kanadischen Armee-Angehörigen noch sehr
präsent; Kanada betrachtete sich damals als Teil Großbritanniens, das
Verhältnis zum amerikanischen Nachbarn war kompliziert.
Vater MacCarthy wird auf dem Luftwaffenstützpunkt Centralia in Ontario
unterrichten, Mutter Mimi, eine Französisch sprechende Akaderien aus
New-Brunswick, wird wie immer schnell die Umzugskisten auspacken und dann
Kontakt zu den neuen Nachbarn suchen. Madeleine wird am Beginn des Schuljahres
9 Jahre alt sein und in die 4. Klasse gehen. Hinter der oberflächlich sicher
und harmlos wirkenden Idylle verbirgt sich die atomare Bedrohung durch die
Kuba-Krise. Tonangebend ist in der amerikanischen und kanadischen
Öffentlichkeit zu dieser Zeit die Propaganda des Kalten Kriegs. Zwischen all
den hübschen, wohlhabenden und glücklichen Menschen stechen die Froehlichs
heraus: MacCarthys Nachbar Froelich ist Jude, er war als Häftling in Auschwitz
und als Zwangsarbeiter in Dora-Mittelbau.
Jack MacCarthy fühlt sich seinem Ex-Ausbilder verpflichtet und übernimmt
zusätzlich zu seinem Dienst auf dem Stützpunkt heimlich die Aufgabe, sich um
einen deutschen Überläufer aus Russland zu kümmern. Die Amerikaner meinen,
den Mann als Raumfahrt-Experten für die NASA zu benötigen. Man kann sich die
Verwicklungen vorstellen, die sich damals ergaben, als in der Zeit der
glücklichen Nur-Hausfrauen ein Berufssoldat im Supermarkt Lebensmittel kaufte,
die nicht für die eigene Familie bestimmt waren. Als Froelich den Überläufer
als Kriegsverbrecher aus Dora-Mittelbau erkennt, muss sich Jack eingestehen,
welcher Preis für das aberwitzige Raumfahrt-Unternehmen der USA gezahlt
wird.
Keine der hübschen, wohlhabenden, glücklichen Mütter merkt, dass der Lehrer
Mr. March seine Schülerinnen missbraucht. Madeleine hat ein vertrauensvolles
Verhältnis zu ihrem Vater, doch jedes Gespräch, in dem sie sich öffnen
könnte, bricht zu schnell ab. Sie fühlt sich schuldig und schweigt über die
Vorgänge. In dieser zunehmend bedrohlicher wirkenden Situation verschwindet
eine Klassenkameradin Madeleines, man findet sie kurz darauf ermordet auf. In
einem aberwitzigen Gerichtsverfahren wird Ricky Froelich, der Sohn der Nachbarn
als Täter verurteilt. Jack als Zeuge entscheidet sich in diesem unlösbaren
Konflikt gegen die Wahrheit, für die Loyalität zu seinem Freund Simon und
vergibt so die einzige Chance, Ricky zu entlasten.
Die heranwachsende Madeleine flüchtet in eine Tätigkeit als Komikerin und
parodiert zwanghaft Mr. March. Die Schuldgefühle ihrer Freundin gegenüber und
die traumatische Erfahrung, vor Gericht aussagen zu müssen, werden sie nicht
wieder loslassen. Als Madeleines Bruder Mike in Vietnam vermisst wird, bricht
die Familie auseinander. Madeleine sucht die Spuren der Ereignisse,
recherchiert, spürt den prägenden Figuren ihrer Kindheit nach und setzt sich
schließlich mit dem Missbrauch auseinander.
Fazit
Auf über 1000 Seiten will Macdonald eine authentische Geschichte erzählen, die
das kollektive Bewusstsein zur damaligen Zeit widerspiegelt. Die Autorin gibt
Einblick in das Geschehen auf einem Luftwaffenstützpunkt im besetzten
Deutschland und schildert sehr bewegend einen Fall von sexuellem Missbrauch.
Wenn auch der Roman insgesamt sehr lang geraten ist, hebt er sich dadurch
hervor, dass er nachvollziehbar zeigt, wie ein so offensichtlicher Fall wie in
Madeleines Schulklasse über lange Zeit unentdeckt bleiben konnte.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 02. Februar 2010 2010-02-02 18:57:37