Gerade Menschen mit einer Borderline-Erkrankung geben ihrem Umfeld Rätsel auf.
Sie übertragen ihre Gefühle auf den Partner, auch auf den Therapeuten. Dieser
muss sich darüber im Klaren sein und mit Gegenübertragung arbeiten können.
Wenn Fortschritte in der Therapie gelungen sind, werden die Patienten wieder
rückschrittig aus Angst vor der Beendigung der Behandlung. Borderline-Patienten
gehen eine enge Beziehung zum Therapeuten ein und lösen diese beziehungsweise
ziehen sich wieder zurück, wenn sie sich eingeschlossen fühlen. Ein Gefühl
der Abhängigkeit vom Therapeuten ist nur schwer zu ertragen. Für den Autoren
sind im therapeutischen Prozess vor allem folgende Ansätze relevant: die
Theorie der projektiven Identifizierung, das Konzept der pathologischen
Persönlichkeitsorganisationen sowie die Theorie der psychic retreats.
Klinische Erfahrungen sind die Grundlage dieser Ansätze.
Nach einer Einleitung beschäftigt sich der Autor im zweiten Kapitel mit der
pathologischen Persönlichkeitsorganisation von Borderline-Patienten. Dieses
komplexe Funktionsmodell hat den Anspruch Strukturen zu beschreiben, die vom
Patienten als Schutz vor Angstsituationen erstellt wurden. Im dritten Kapitel
geht Weiß auf die Phänomene ein, die aus dieser Persönlichkeitsorganisation
entstehen und die Behandlung erschweren. Nach ausführlicher Betrachtung werden
Schlussfolgerungen für die psychoanalytische Behandlungstechnik diskutiert. In
Kapitel 4 wird anhand von Beispielen und theoretischen Grundlagen der Einbezug
des Traummaterials in die Behandlung erörtert. Das folgende Kapitel
beschäftigt sich nun mit "Inseln von Zeitlosigkeit". Um der Gefahr
eines Endens der Therapie zu entgehen, wird die Zeit vom Patienten regelrecht
aufgehalten. Die Entwicklung in der Behandlung stagniert oder Rückschritte
werden gemacht. Zwei Erscheinungsformen dieser Zeitlosigkeit werden anhand von
Beispielen illustriert. Im Kapitel 6 beschäftigt sich der Autor nun mit der
Konstruktion des inneren Raums beim Patienten als Behandlungsansatz. Letzterer
hat einen anderen Zugang zu seiner Lebensgeschichte. Emotionale Erfahrungen
werden in ein Objekt projiziert. Zeitliche Aufarbeitung von früheren Gefühlen
und Situationen wird laut Weiß erst nach Einrichtung des inneren Raums
sinnvoll.
Eine Strategie der Patienten, sich mit Erfahrungen von Trennung und Verlust zu
beschäftigen, ist der Aufbau von Missrepräsentationen. Weiß verdeutlicht dies
in Kapitel sieben an einem Beispiel aus dem ersten Behandlungsjahr. Zudem wird
der Behandlungserfolg sichtbar, da zwei Sitzungen aus dem fünften
Behandlungsjahr zeigen, wie die Patientin nun in Anbetracht der endenden
Therapie mit ihren Trennungs- und Verlustängsten umgeht. Im vorletzten Kapitel
wird eine weitere Strategie von Borderline-Patienten deutlich den
Trennungsängsten zu begegnen. Anhand eines weiteren klinischen Fallbeispiels
kann der Rückzug in eine Phantasiewelt und die daraus resultierende Behandlung
beschrieben werden. In Kapitel 9 wird nun das Modell der projektiven
Identifizierung vorgestellt. Die Unterscheidung von Teilphasen in der Analyse
ist für Weiß unerlässlich. So können Schwierigkeiten in der
Gegenübertragung untersucht und damit behandlungstechnische Probleme bearbeitet
werden. Beispiele verdeutlichen wieder das Beschriebene.
Fazit
Das Buch ist an das Fachpublikum gerichtet. Es verbindet Theorie und Praxis
anhand vieler Fallbeispiele. Die Gliederung des Inhalts ist logisch. Der
Sprachstil besticht durch Sachlichkeit und Verständlichkeit. Das Buch ist sehr
zu empfehlen.
Vorgeschlagen von Romy Bigalke-Kunert
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veröffentlicht am 23. Dezember 2009 2009-12-23 18:38:11