Das Übersetzungs-Stipendium im Übersetzer-Zentrum Uerdingen bedeutete für
Lara ein paar Wochen ungestörte Arbeit an ihrem Auftrag und die Begegnung mit
Kollegen aus den unterschiedlichsten Ländern. In den Pausen oder beim
Recherchieren in den vielen Büchern des Hauses trafen italienische,
französische und deutsche Lebensart aufeinander. Als Lara ihre belgische
Kollegin Martine tot auffindet, wird sie von den Ermittlern zunächst für eine
der Hauptverdächtigen gehalten. Anstatt untätig rumzusitzen, bis die
Ermittlungen abgeschlossen sind, beginnt Lara ein paar Fragen über Martine zu
stellen. Die Faktenlage ist eher schwach, die Tatkraft des Ermittlerteams durch
eine Grippewelle merklich geschwächt. Unterstützt wird die Hobby-Detektivin
von Piet Fiedler, bei dem sie früher einmal ein möbliertes Zimmer gemietet
hatte. Sogar Laras Großmütter treten im Doppelpack zur Unterstützung ihrer
ermittelnden Enkelin auf. Oma Catherine als Vertreterin der
französisch-sprachigen Seite der Familie Lewandowski, Oma Bix, genannt Mamie,
für die deutsche Seite. Durch so ein bisschen Mord und Totschlag lassen die
beiden alten Damen sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Eingeschoben in die Handlung sind Rückblicke ins Jahr 1854, als der
Textilfabrikant Louis Gaston seine Firma knapp in den Bankrott gewirtschaftet
hat. Als sich herausstellt, dass Martine ausgerechnet für die Nachkommen Louis
Gastons parallel an einem zweiten Auftrag arbeitete, müssen Lara und Piet
Fiedler sich bei ihren Nachforschungen mit der Geschichte des Unternehmens
Gaston auseinandersetzen. Auf den detektivischen Spürsinn Piets und die
Unterstützung durch seinen Freund Theo kann Lara sich stets verlassen. Zur
Zeit muss Lara allerdings Theos Aufmerksamkeit mit einem jugendlichen Ausreißer
teilen, der bei dem Rentner-Duo auftaucht und den niemand zu vermissen scheint.
Laras Aktivitäten haben den Täter offenbar bedrohlich in die Enge getrieben,
so dass es zu einer weiteren Gewalttat kommt. Für Lara also höchste Zeit,
gegenüber dem hauptberuflichen Ermittler Watermann mit offenen Karten u
spielen.
Der hinreißende Piet, Theo und der Findel-Jugendliche Robin bieten dem Leser
etwas fürs Herz, ebenso Laras Omas, die im Fall Martine kulturübergreifend
zur Tat schreiten. Die Autorin lässt ihre Leser bis zum letzten Moment im
Unklaren darüber, welche Verknüpfung zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu
Martines Tod geführt haben. Ein besonderes Lesevergnügen sind die Rückblicke,
in denen Louis Gaston in formvollendet altertümlicher Sprache kommuniziert.
Fazit
Beim Lesen eines Krimis kann man mühelos in eine fremde Kultur oder eine
charakteristische Landschaft eintauchen. Jutta Profijt lässt uns "Das Tuch
des Schweigens" ins Alltagsgeschäft des Übersetzens blicken. Ihr
Regional-Krimi besticht durch die lockere Art, in der sie Lokal- und
Wirtschaftsgeschichte vermittelt, und ihre sympathischen Hobby-Ermittler.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 18. Dezember 2009 2009-12-18 07:58:15