In Oberhausen wird die Leiche eines Verlegers aufgefunden. Sie befindet sich in
ungewöhnlicher Position. Sein Verlag publiziert neonazistische und
rechtsradikale Schriften. Betraut mit den Ermittlungen zu diesem Fall wird Thi
Fischer, deutsche Kommissarin mit vietnamesischer Abstammung. Mit dem Tod des
Verlegers ist seine Assistentin spurlos verschwunden. Es ist gerade die
Sterkrader Kirmes, auf der sich die Kommissarin von ihrer überaus starken
Erkältung und der Trennung von ihrem Freund ablenken möchte. Da gerät sie in
eine Schlägerei zwischen jungen Neonazis und Türken. Während der Ermittlungen
sowohl im Mordfall als auch in Sachen Schlägerei geht ein Notruf ein. Auf der
Kirmes wäre an einem Fahrgeschäft die Gondel abgerissen und es gäbe drei
Tote, allesamt Obdachlose, die in dieser Gondel saßen.
Das sind der Toten zunächst einmal genug. Die Polizei hat hinreichend zu tun.
Der Autor beschreibt im insgesamt dritten Fall seiner Oberhausener Ermittlerin
das Milieu der Schausteller mit Witz und Detailtreue. Die darüber hinaus auch
das Neonazi-Milieu streifende Handlung gibt dem Leser jede Menge Rätsel auf.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil erste Ermittlungen zu dem Schluss führen, dass
der von Neonazis verprügelte Türke schwul wäre, und sein Freund der
prominenteste Autor des Verlages ist. Hiermit werden so viele Löcher
aufgerissen, dass es schier hoffnungslos wirkt, sie wieder stopfen zu wollen.
Doch das sei schon mal vorweg genommen: natürlich schafft es der Autor, den
Knoten für die Leser zu entwirren.
Plötzlich werden die Leichen der Obdachlosen geraubt, nach ihrem Auffinden aber
stellt die Kripo eine Leichenschändung fest. Die Frage, ob dies etwas mit dem
toten Verleger oder der Schlägerei zu tun hat steht immer noch im Raum. Doch
die Kommissarin braucht sich keine Sorgen machen. Eigentlich hat sie immer
sofort einen Täter: ihren alten "Freund" Dieter Brom, ein
liebenswerter Spinner, dem nichts lieber ist, als von der Polizei für jedes
Verbrechen in der Stadt als Schuldiger festgenommen zu werden. Und bei ihren
Treffen mit ihm, die mal in der Kneipe, mal auf der Kriminalwache stattfinden,
hat Thi Fischer selten Skrupel, ihn wie einen solchen zu behandeln. Hilfreich
ist ihr diese Bekanntschaft mit dem Spinner oft genug, seine Recherchen, um sich
als Schuldiger zu präsentieren liefern zumindest handfeste Indizien.
In ein besonderes Licht setzt sich der neonazistische Sachbuchautor, als er beim
Begräbnis seines Verlegers einen vollgeladenen Revolver auf den Sarg in der
Grube leer schießt, sich bei der anschließenden Vernehmung jedoch stur stellt
und behauptet, nichts mit dessen Tod zu tun zu haben. Dass er auf freien Fuß
gesetzt werden muss, weil sich heraus stellt, in die Neonaziszene als V-Mann des
Verfassungsschutzes eingeschleust worden zu sein, ist ein herber Rückschlag
für die Kriminalistin.
Der Autor verstrickt den Leser in immer weiteren und konfuser werdenden
Handlungen. Ähnlich einem Labyrinth macht das Lesen dennoch oder gerade deshalb
Spaß. Schließlich wird er mitgenommen vom Autor und nicht mit offenen Enden
stehen gelassen. Obwohl schon nach kurzer Lesezeit klar ist, dass man hier mit
ständigen Wechseln rechnen muss, wird der Handlungsstrang nicht
unüberschaubar. Wiedererkennbare Eckpunkte sind zu jeder Zeit erreichbar, ob es
sich um den dienstlichen Partner der Kommissarin, dem psychologischen Berater,
dem liebenswerten Spinner oder der heilpraktizierenden Freundin handelt. Ein
solcher Eckpunkt ist aber leider auch eine Eigenschaft der Kommissarin, die
meines Erachtens zu weit hergeholt scheint: sie trinkt. Es vergeht kein einziger
Tag, an welchem sie keinen Alkohol zu sich nimmt. Dieser Charakterzug der
ungewöhnlichen und durchaus interessanten Romanfigur passt nicht unbedingt ins
Bild und wirkt an manchen Stellen deplatziert, nimmt der Handlung jedoch nichts
von ihrer Spannung. Ebenso unpassend ist die Wahl der Nachnamen. Zugegeben, es
gibt sehr außergewöhnliche Namen, aber alle zusammen in einem einzigen Buch
scheint einfach zu viel des Guten und wirkt eher gekünstelt.
Fazit
Trotz der kleinen Kritikpunkte ein überaus kurzweiliges und empfehlenswertes
Buch. Es ist vom Umfang her nicht zu stark und passt in nahezu jede Tasche,
bereitet immer Spaß und Spannung für Zwischendurch.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
[Profil]
veröffentlicht am 08. Dezember 2009 2009-12-08 10:28:37