Christian Hacke hat mit seiner Neuauflage des Buches "Weltmacht wider
Willen?" zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland ein wichtiges und
umfassendes Standardwerk vorgelegt. Die Neuausgabe 2003 unterscheidet sich von
der Ausgabe von 1997 dadurch, dass die Kapitel über die Regierung Kohl/Kinkel
überarbeitet und erweitert wurden. Außerdem wurde ein Kapitel über die
Außenpolitik unter Schröder und Fischer hinzugefügt. Ein abschließendes
Kapitel über Bilanz und Perspektiven deutscher Außenpolitik im 21. Jahrhundert
- für mich das interessanteste Kapitel des ganzen Buches - schließt dieses
fulminante Werk ab. Interessant für den Leser ist insbesondere die Bewertung
der rot-grünen Außenpolitik durch Hacke, die er ja schon in der Zeitschrift
"Aus Politik und Zeitgeschichte" (B48/2202 vom 2. Dezember 2002 und -
negativer, was die Irak-Politik angeht - in der Ausgabe 24-25/2003 vom 10. Juni
2003 vorgelegt hat). Insbesondere den "deutschen Sonderweg" unterzieht
Hacke sowohl in seinem Buch als auch in dem aktuelleren letzten Aufsatz einer
beißenden Kritik. Durch die offene Konfrontation gegen die - auch von Hacke als
gefährlich und unilateral eingeschätzte Politik George W. Bushs - habe Berlin
an Einfluß verloren, statt gewonnen. Anstatt gemeinsam mit London und Paris und
dann mit Moskau und Peking einen Ausweg über das UNO-Mandat mittels eines
Ultimatums zu suchen, habe die Regierung Schröder/Fischer aus rein
populistischen wahlkampfbedingten Gründen die deutsche Außenpolitik
innenpolitisch instrumentalisiert und sich moralisch überlegen gegeben, ohne
eigene alternative Vorschläge zur Lösung des Irak-Problems zu liefern
(Zusammenfassung, S. 517). Fazit: Zu Beginn der zweiten Amtszeit der rot-grünen
Bundesregierung läge eine "neue Schwere" über Deutschland -
bleiernder als je zuvor. "Es hätte dieser Regierung gut angestanden,
selbst mit anderen Mächten diese UNO-Resolution zu entwickeln. Damit wäre die
UNO gestärkt worden. Statt dessen hat Deutschland sich isoliert, die UNO
geschwächt und Saddam Hussein in seinem gefährlichen Tun durch kraftlose
Nachgiebigkeit gestärkt. Die fatalen Folgekosten dieses Versagens werden die
deutsche Außen- und Sicherheitspolitik noch länger belasten, Deutschland noch
mehr kosten und Deutschlands Ansehen noch länger beeinträchtigen, als es sich
die Regierenden in Berlin heute vorstellen." (S. 520). Man mag mit dieser
Analyse nicht übereinstimmen. Hacke ist allerdigs sehr belesen und
temperamentvoll. Er gehört der konservativen neo-realistischen Schule in den
Internationalen Beziehungen an, die nicht in der Gesellschaft, sondern in den
traditionellen Interessen der Staaten die entscheidenden Instrumente der
Außenpolitik sieht (so verehrt er nach eigenen Worten den amerikanischen
Politikwissenschaftler John Herz, einen der Gründer der neorealistischen
Schule). Demzufolge misst er Personen, hier den Bundeskanzlern und seinen
Außenministern, entscheidende Bedeutung zu. Hacke hat einen beeindruckenden
Anmerkungs- und Literaturapparat angehängt, der allerdings stärker
konservative Positionen berücksichtigt. Linke, in der Tradition der
"Zivilmacht Deutschlands" um den Tübinger Politikwissenschaftler
Maull vertretene Positionen sind rar. Eine solide wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit diesen Positionen findet nicht statt, hier polemisiert
Hacke. Gerade zur Regierung Fischer/Schröder hätte man sich die kritische
Reflexion über wichtige und bahnbrechenden Publikationen - etwa vom Frankfurter
Politikwissenschaftler
Gunther
Hellmann (genannt etwa seine "Rekonstrukton der "Hegemonie des
Machtstaates Deutschland unter modernen Bedingungen") gewünscht.
Publikationen, insbesondere aus den konservativen Zeitungen "Welt" und
"FAZ" oder Abhandlungen, die mit der Auffassung des Autors konform
gehen, wie etwa von Josef Janning: "Lange Wege, kurzer Sinn? Eine
außenpolitische Bilanz von rot-grün in: "Internationale Politik, 57. Jg.,
September 2002) finden sich dagegen als Belege. Dies ist wirklich
unwissenschaftlich, da einseitig.
Fazit
Insgesamt aber dennoch ein temperamentvolles und wichtiges Buch, welches zum
Nachdenken anregt und - dies ist wichtig - leicht zu lesen ist. Es hebt sich
daher wohltuend von Autoren ab, die meinen, mit zahlreichen Schachtelsätzen,
gespickt mit Fremdwörtern, die teilweise Inhaltsleere ihrer Gedanken vermitteln
zu müssen - und inhaltsleer ist Hackes verdienstvolles Werk in keinem Fall.
Durch seine pointierten scharfen Thesen wird es die wissenschaftliche Debatte
anregen und sicherlich ein Standardwerk werden. Daher trotz obiger Kritik 8
Punkte.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 21. Juni 2003 2003-06-21 21:15:33