Kommissar Van Veeteren muss hier, zusammen mit seinem Helfer, Kommissar
Münster, in dem idyllischen Kurort Kaalbringen, einen Serienmörder entlarven,
der seine Opfer alle mit einer Axt getötet hat. Welches Motiv hat der Täter,
die drei Männer, die alle neu in die Stadt gezogen sind, umzubringen? Lediglich
Inspektorin Moerk, die von Beginn an sehr intuitiv an die Angelegenheit
herangeht und in der Lage ist, logisch aus den vorhandenen Beobachtungen
Schlussfolgerungen zu ziehen - ihr werden auch Ambitionen einer Privatdetektivin
von Kommissar Münster nachgesagt - entdeckt den Täter und verschwindet
spurlos...Ich habe das Buch nach der Lösung (die für mich nicht überraschend
kam) ein zweites Mal gelesen. Nur dadurch werden einige Dialoge und Handlungen
verständlich. Das Buch ist sehr spannend geschrieben. Dies liegt vor allem
daran, dass Nesser aus der Perspektive des sogenannten "allwissenden
Erzählers" berichtet, der den Ablauf der Ereignisse schon kennt. Dies wird
gleich am ersten Satz deutlich: "Wenn Ernst Simmel gewußt hätte, daß er
kurz davor war, das zweite Opfer des Henkers zu werden...". Nesser
berichtet sowohl aus der Perspektive des Täters, als auch aus der Perspektive
der Polizei und gewährt dadurch einen guten Einblick in polizeiliche
Ermittlungsarbeit. Er schreibt - wie in allen seinen Werken - eher karg und
knapp. Dadurch hebt er sich meines Erachtens wohltuend von seinem Kollegen
Henning Mankell ab, mit dessen
Wallander-Romanen er - meines Erachtens zu unrecht - verglichen wird. Sparsam
setzt Nesser seine stilistischen Mittel ein. Auch die Charaktere sind
psychologisch glaubhaft und sehr gut dargestellt. Aber: leider ist genau bei
diesem Werk der Plot für mich nicht glaubwürdig genug. Dies wird beim zweiten
Lesen deutlich. Denn die entscheidende Frage, wie Kommissar van Veetern dem
Täter auf die Spur kommt, wird nicht erklärt. Bei einem solch überraschenden
Schluss hätte am Ende eine Aufklärung der Ereignisse erfolgen müssen. Dies
geschieht aber nicht. Die Aufklärung nämlich basiert auf einer ganz simplen
Schlussfolgerung: die Tatsache, dass die Polizeiinspektorin zu einem Zeitpunkt
verschwindet, an dem ein wichtiger Bericht an sie ausgehändigt wurde, beweist,
aus welchem Umfeld der Mörder kommen muss. Wenn man diese Schlussfolgerung
gezogen hat, weiß man, wer der Täter ist. Diese Schlussfolgerung zieht
Protagonist Van Veeteren ganz offensichtlich in der Badewanne, als er über die
wichtigen Schlussfolgerungen nachdenkt, die aus den Ereignissen dieses Falles zu
ziehen sind (S. 212-15 der gebundenen Ausgabe). Aber über die wichtigste sich
daraus ergebende Schlussfolgerung (sie ergibt sich bei genauer Lektüre auf S.
172 der gebundenen Ausgabe) wird der Leser leider nicht informiert. "Wie
nun alles zusammenhing, wußte immer noch keiner" heißt es lapidar auf S.
270. So wird das entscheidende Motiv zwar aufgrund der Monologe des Täters
offensichtlich (dessen Perspektive Nesser einbringt), jedoch nicht deutlich
dargestellt, wie Van Veeteren auf dieses Motiv, den "Schlüssel" des
Falles, kommt. Dies ist mir dann leider zu wenig und nicht glaubwürdig genug.
Zwar liefert Nesser - auch dies ist erst bei der zweiten Lektüre feststellbar -
äußerst raffiniert an drei Stellen Hinweise auf den Täter, dennoch bleibt
neben dem Motiv für die Tat auch der Zeitpunkt der Morde für den Leser
unverständlich, da es - aus Gründen, die hier nicht verraten werden sollen -,
aus Sicht des Täters sinnvoller gewesen wäre, diese ein halbes Jahr später zu
begehen.
Fazit
Der "Plot" ist nicht glaubhaft. Der Leser wird meines Erachtens von
Nesser gezielt irregeführt. Ganz im Gegensatz etwa zu seinem Band "Der
unglückliche Mörder", den ich für den besten Krimi Nessers halte. Ergo:
ein durchaus spannendes Buch mit glaubwürdigen, psychologisch genau
gezeichneten Charakteren, jedoch ohne glaubwürdigen Plot und einem - für mich
- keineswegs überraschendem Ende.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 19. Juni 2003 2003-06-19 15:01:56