Julius Winsome hatte lange Zeit allein mit seinem Vater in einer einsamen
Hütte in Maine in der Nähe der kanadischen Grenze verbracht. Inzwischen gibt
es nur noch die Hütte und mehrere Tausend Bücher, die der Vater Julius
hinterlassen hat. Vater Winsome lehrte Julius als Kind systematisch den
Wortschatz Shakespeares. Über seinen Vater sagt Julius, er wäre mit Worten so
sparsam gewesen, dass man Wasser hinzufügen musste, damit sie zu Sätzen
aufquollen. Ein Winter dauert für Julius 50 Bücher lang. In den Sommermonaten
schlägt er sich mit Jobs als Gärtner und Automechaniker durch.
Julius Großvater war Akadier, er stammte von der französisch-stämmigen
Volksgruppe ab, die von den Briten im 18. Jahrhundert von der Halbinsel Nova
Scotia vertrieben wurde. Akadier lassen sich keine Vorschriften machen - und in
der dünn besiedelten Gegend leben außer Julius auch heute noch Männer, die
nirgends anders leben könnten. Vom Vater und Großvater hat Julius den Umgang
mit Jagdwaffen gelernt; die Kriegserlebnisse der beiden Älteren aus zwei
Weltkriegen waren Julius stets präsent. Julius einziger Freund ist sein Hund
Hobbes. Als Hobbes eines Tages aus nächster Nähe erschossen wird, gerät
Julius Leben aus den Fugen. Ein ausgehängter Zettel, mit dem Julius
Informationen über das Schicksal seines Hundes sucht, wird beschmiert. Mit
dieser Tat scheint weit stärker als durch den Tod des Hundes Hobbes eine
unsichtbare Grenzlinie zu Julius Lebensraum übertreten worden zu sein. Julius
nimmt den Krieg gegen Männer auf, die auf der Jagd in seinen Wald eingedrungen
sind, Männer die er nicht persönlich kennt, denen er die Schuld an Hobbes Tod
gibt. Der Fünfzigjährige sinnt auch über die Möglichkeit nach, dass Claire
etwas mit Hobbes Tod zu tun haben könnte, die Frau, mit der er vor Jahren eine
kurze Beziehung hatte.
Julius entschlossenes, absolut kompromissloses Handeln löst widersprüchliche
Gefühle beim Lesen aus. Da ist der Mann dessen Leben noch immer von den Werten
des Vaters bestimmt wird, der Bücherliebhaber, der für schöne Worte lebt.
Julius scheint nicht eine Sekunde an seinem Handeln zu zweifeln. Wie kann ein
Mann, dessen Großvater nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder eine Waffe in die
Hand genommen hatte, den Krieg gegen unbekannte Jäger aufnehmen?
Fazit
Gerard Donovan schildert in einfachen, stimmungsvollen Worten die Ereignisse
einer einzigen Woche in den einsamen Wälder im nördlichen Maine. Auf
beklemmende, beklemmend elegante Weise führt der Autor seine Leser aus dieser
abgeschiedenen Idylle zum Rachefeldzug eines einsamen Mannes. "Winter in
Maine" lässt seine Leser ebenso dünnhäutig wie Julius werden; ein Roman,
der sehr vielmehr als ein Krimi ist und den Leser so bald nicht wieder
loslässt.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 28. Oktober 2009 2009-10-28 18:44:38