Als der christliche Glaube aufkam, zog sich die Politik in die Großreiche
zurück. Die Masse der vernachlässigten Menschen suchte Heil in der Religion
als Schwester der Politik, um darüber das Heil zu finden. So entstand die
Messiaserwartung ab etwa 20 n. Chr. Jesus verkündet die Kaiserherrschaft
Gottes. Die Nächstenliebe ist die Liebe Gottes für den Menschen, womit das
Christentum die erste Form universaler Weltreligion wurde, die in den globalen
Katholizismus mündete, für den Paulus wirkte. Christliche Gemeinden gründeten
sich. Jesus als nachahmenswerte Gestalt führt zu einem neuen Innenleben der
Menschen. Der Gedanke der Gleichheit keimt zum ersten Mal auf, ebenso die Idee
universeller Solidarität und Subsidiarität.
Der von Thomas von Aquin proklamierte Gottesstaat beispielsweise besteht aus
Menschen, die sich der ewigen Ordnung Gottes und ihren Prinzipien des sozialen
Zusammenlebens fügen. Sie liefern sich nicht den äußeren Dingen aus, um sie
zu genießen, sondern leben in und aus Gott selbst. Unsterblich sei das Gute und
der Sieg Gottes bleibt bestehen. Es ist die Katholische Soziallehre, welche die
sozialen Prinzipien für die Christen zusammenfaßt und auf die wesentlichen
Punkte Solidarität, Gemeinwohl und Subsidiarität vereint, welche zugleich
Prinzipien des Sozialen überhaupt sind.
Während die kirchliche Verortung in Europa heute schwächer wird, aber gerade
die Prinzipien der Soziallehre für den Zusammenhalt einer Gesellschaft damit
immer gefragter werden, sind auch die Erwartungen an die Katholische Soziallehre
gestiegen. Konkret lassen sich ihre Lehren umsetzen in der unantastbaren Würde
des Menschen, den Menschenrechten und in den sozialen Ordnungsstrukturen der
Gerechtigkeit und Solidarität, aber auch der Selbstverantwortung. Dies läßt
sich insbesondere auf den Bereich des Wirtschaftlichen übertragen: Die Kritik
am Geld ist in der Katholischen Soziallehre begründet. Anderseits ist es für
die Kirche nicht zulässig, das Geld zu "verteufeln", denn wenn die
Kirche über genügend Geld verfügt, kann sie damit Wohnungen oder Kirchen
bauen. Die Katholische Soziallehre bestätigt mit Papst Pius XII., daß
kirchliches unternehmerisches Engagement keineswegs eine völlige
Selbstlosigkeit meint. Hiernach solle der Staat und die gesellschaftliche
Tätigkeit das wirtschaftliche Handeln des Einzelnen subsidiär unterstützen,
niemals ersetzen. Das Entscheidende ist hier der Mensch und sein
Persönlichkeitswert. Der christliche Humanismus ist auf den zu Gott blickendem
Menschen bezogen. Es ergibt sich daraus, die Chancen ebenso zu sehen, wie die
Gefahren und aus der Spannung zwischen Geld und Geist im praktischen Geschäft
Lehren zu ziehen. Im praktischen Leben bedeutet Katholische Soziallehre: Hilfe
zur Selbsthilfe, christliche Solidarität und subsidiäre Eigenverantwortung mit
dem Ziel, zu erkennen, wie der Mensch in der Kraft des Glaubens über sich
hinauswachsen könne. Mit diesem Ausblick können sich Christen in besonderer
Weise der Not der Heimatlosigkeit so vieler Zeitgenossen annehmen.
Aus all diesen Gründen ist das vorliegende Handbuch der Katholischen
Soziallehre, herausgegeben im traditionsreichen Duncker & Humblot-Verlag,
überaus zu begrüßen. Es bietet erstmals einen faktenreichen und
verlässlichen Überblick über alle wesentlichen Policy-Felder und verknüpft
diese mit der Katholischen Soziallehre selbst. Es bietet damit in einer
komplexen empirischen und normativen Welt eine klare christliche und damit
prägende Orientierung. Die bekannten Wissenschaftler wie Isensee, Kirchhof,
Ockenfels, Höffe, oder Ott verleihen dem opulenten Werk zudem einen sehr
vertrauenswürdigen Charakter. Er ermöglicht es, in einer Zeit, in der
Wissenschaft und Technik an ethische Grenzen stoßen, auf über 1000 Seiten in
81 kompetenten Essays einen klaren Informationsvorschub zu erlangen. So geht es
um das christliche Menschenbild (3), Menschenwürde und Freiheit (41), den
sozialen Lehrauftrag der Kirche (93), Arbeit und Kapital (445), Vereinbarkeit
von Familie und Beruf (355) Eigentums- und Wettbewerbsordnung (523) oder
Legitimationsprobleme der Massendemokratie (871). Auch kontrovers diskutierte
Fragen wie "Bellum iustum" und gerechter Frieden (1021) werden
geradewegs offen thematisiert.
Wie bedeutsam die Katholische Soziallehre heute ist, verdeutlicht vor allem das
Kapitel über Schöpfung und Umwelt (397ff.). Die Lehre läßt sich soweit
praktisch anwenden, daß es ihr zufolge auch auf einen sinnvollen und somit
sparsamen Einsatz von Wasser und Wärme ankommt. So ist es gerade heute die
Kirche als Unternehmen (641), die das Verbraucherverhalten schnell positiv
beeinflußt und etwa über die im KSD Katholischer Siedlungsdienst e.V.
zusammengeschlossenen bauenden kirchlichen Siedlungswerke und
Wohnungsunternehmen individuelle Vor-Ort-Analysen zum Zwecke der Energie- und
Kostenersparnis für Menschen durchführt, die unter steigenden Energiepreisen
zu leiden haben. Im ökologischen Bereich erfüllen die kirchlichen
Siedlungswerke und Wohnungsunternehmen nicht nur einen gesellschaftlichen,
sondern einen kirchlichen Auftrag, indem sie in ihrem Bereich zur
"Bewahrung der Schöpfung" beitragen. Das alles geht heute weit über
den eigentlichen Rahmen eines Wohnungsunternehmens und seines ursprünglichen
Gründungsauftrages hinaus, es ist gewissermaßen der kirchlich-soziale
Mehrwert, der sich nicht messen und bilanzieren läßt, eben die letzte
Ausfüllung der Katholischen Soziallehre im Bereich des Wohnens. Das vorliegende
Buch, das definitiv den Rang eines Standardwerkes einnehmen wird, zeigt in
diesem wie in vielen Bereichen auf, wie aktuell die Soziallehre ist und wie sie
sich auf alle Bereiche des politischen und sozialen oder wirtschaftlichen Lebens
übertragen läßt.
Zuletzt können Wahstum, Rationalität und Technik nicht die Menschenwürde
garantieren. Es kommt auf die soziale Orientierung an, für die das vorliegende
Buch wesentliche Argumentationshilfen liefert, um der Phase des Konsums und des
Materialismus eine Lösung entgegenzustellen.
Fazit
Mit dem Handbuch liegt ein einmaliges Studienbuch vor.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 10. Oktober 2009 2009-10-10 12:30:30