Es gibt nur einen, der die moderne Gottlosigkeit derartig schroff brantmarkte,
daß er darüber selbst brutal und gottlos scheinen mag - dies war Leon Bloy.
Die Person Bloy versteht sich im Gegenzug aber nur dadurch, daß er selbst als
gallikanischer Katholik einen eigenen Glauben lebte und dem römischen Weg der
Amtskirche nicht zugeneigt war.
Über jenen Leon Bloy, der für Heinrich Böll, Ernst Jünger oder Walter
Benjamin eine glühende Offenbarung der Erkenntnis und ein hoffnungsgebender
Wegweiser für das Leben war, liegt nunmehr eine umfassende, erste und überaus
kenntnisreiche Studie vor. Der Verlag Matthes und Seitz brachte dieses Buch
über einen besonderen Menschen heraus, der es schon als Kind für überaus
nobel hielt, zu leiden und zu verzichten, da hierin das eigentlich Göttliche
liege. - Gott läßt für Bloy den wissenden Menschen seinen Schmerz der
Existenz ertragen: "Tout ce qui arrive est adorable." Alles was
geschieht ist zu begrüßen, zu ertragen. Es hat seinen Sinn im Weltenplan - so
auch das tiefste Elend.
Das ungewöhnliche Denken Bloys liegt heute in sechzehn Bänden vor und ist
getränkt von christlicher Anthropologie und Schmerz. Um sein Wirken in
Deutschland zu verstehen, wird man in Zukunft an dem vorliegenden Band nicht
vorbeikommen. Ohne ihn wäre Bloy sicherlich als "katholischer
Fanatiker", der sich selbst als Werkzeug Gottes sah, verdammt geblieben,
ohne seine Anliegen selbst zu verstehen.
Leon Bloy, den Ernst Jünger einen "Zwillingskristall aus Diamant und
Kot" nannte, besticht heute unverändert durch seine Absolutheit der
Überzeugung, nach der Leiden und Schmerz erst zum Leben hinführten. Es
verwundert nicht, daß damit eine fundierte Polemik gegen ein verbürgerlichtes
Christentum, ein verweichlichtes Bürgertum verbunden ist, welche die
Kümmerlichkeit und nörgelnde Sattzufriedenheit vergreister Profiteure des
Materialismus und deren Furcht vor allen Höhen und Tiefen des Lebens, vor dem,
was man historische Kontingenz nennt, gnadenlos an den Pranger stellt. In diesem
- nach Bloy - "Schweinetum der Moderne" tritt allein der Bettler noch
als Personifizierung Gottes auf und hält der sich in prächtigen Empfängen der
Dekadenz sonnenden Amtskirche ihren hedonistischen und damit nicht-christlichen
Spiegel vor.
Die Schriften des "Monstrums" Bloy kursierten sogar im Deutschen
Widerstand bei den Gefährten der Weißen Rose. So weist die Autorin
vorliegender Studie darauf hin, daß Hans Scholl die Armut Bloys, die zum
absoluten Christentum führe, sehr bewunderte. Es scheint als habe Bloy stets
allen leidenden Intellektuellen des 20. Jahrhunderts Kraft und Zuversicht
gewährt.
Caroline Mary führt in Bloys Denken ein und zeigt den Einfluß, den Bloy auf
die Literatur ausübte. Er zählt zu den faszinierendsten Gestalten des
französischen Fin de Siècle und wie Barbey d'Aurevilly zu den großen
unbequemen Geistern Frankreichs. Zu der Reihe deutscher Intellektueller, deren
Schriften den Fußabdruck Bloys erkennen lassen, zählen nicht nur Hugo Ball und
die Dadaisten, Ernst Jünger, Carl Schmitt und Thea Sternheim, sondern ebenso
Autoren wie Franz Kafka, Karl Kraus, Friedrich Glauser, Getrud Fusseneger,
Walter Benjamin und Heinrich Böll.
Fazit
Das Buch ist eine vorzügliche Leistung, deren Wirkung dann erst vollends
entfaltet ist, wenn erkannt wird, in wie vielen deutschen Werken der genannten
Autoren Bloys Gedankengut auf fruchtbaren Boden fiel und damit weiter gerade im
Dienste des Katholizismus den Wohlstandskatholizismus verdammte. - "Leon
Bloy ist nicht abzulehnen. Gott braucht ihn im Weltplan." (Thea Sternheim)
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 09. Oktober 2009 2009-10-09 11:16:43