Um 1500 gibt es erste Anzeichen einer Globalisierung, erste Raubzüge,
Entdeckungsfahrten und Nationalstaaten. Die Reformation in Wittenberg erwirkt
eine Denk- und Mentalitätsrevolution, sowie Glaubens- und Bürgerkriege. Es
beginnt der neue okzidentale Rationalismus, in welchem das prägende neue
Gebilde der Staat ist, dessen Politik eine eigene Rationalität gewinnt. So kann
der Philosoph Niccolo Machiavelli als Begründer der Neuzeit gelten. Er, als
Reformbeamter in Florenz, setzt den politischen Realismus und Pragmatismus
zentral. Er stellt den Unterschied fest zwischen: "Das Leben ist" und
"Das Leben soll". Man solle sich stets auf den realen Zustand
beziehen. Machiavelli betreibt eine pragmatische auf Effizienz ausgerichtete
Politik mit dem Ziel der gnadenlosen Selbsterhaltung des Menschen und des
Staates (autoconservatione). So steht Machiavellismus für eine
skeptisch-realistische Anthropologie, in welcher die Menschen weder gut noch
schlecht sind, sondern umstandsbedingt gut und schlecht. Es entsteht ein neues
politisches Unternehmertum, das die Möglichkeiten der Machtergreifung anpackt.
Das vorliegende Hauptwerk Jacob Burckhardts nun ist das klassische Beispiel
großer kulturhistorischer Literatur. Es widmet sich genau jener Epoche
italienischer Renaissance, wo die Gedanken Machiavellis aufkeimten. Zum großen
Erfolg hat neben dem bahnbrechenden Charakter dieser anschaulichen
Epochenschilderung auch ihre literarische Qualität beigetragen. Die Kultur der
Renaissance in Italien ist bis heute ein Standardwerk, das die eingangs
beschriebene Vorstellung von der Renaissance nachhaltig geprägt hat. Dem Werk
liegt ein völlig neuer, von Burckhardt entwickelter vielschichtiger
Kulturbegriff zu Grunde, der die gesamte menschliche Lebensgestaltung umfasst.
Er schließt den Staat als kulturelle Äußerung ebenso ein wie die Religion und
die Produktion von Kunst aller Art sowie die Formen der Geselligkeit und der
Feste.
So hat dieses wichtigste Werk deutscher Historiographie ungebremste Anerkennung
gefunden. Kennzeichen der der Kultur der italienischen Renaissance ist für den
Autor, daß Politik als konzeptuelles, ideengeleitetes und von ästhetischen
Überlegungen getragenes Geschäft ist, jenseits von moralischer oder
religiöser Legitimation. Es entspringt hieraus erstmals der moderne Mensch, als
Individuum und Teil einer Gemeinschaft. So war insbesondere der Geist der Stadt
Florenz scharf räsonierend und künstlerisch und machte die Stadt zum ersten
modernen Staat der Welt. Für Burckhardt erwacht erstmals die objektive
Betrachtung des Staates, wonach, wenn die Macht errungen und stabilisiert ist,
man die Dinge moralisch neu angehen und umwerten könne, um schließlich erst
über die vorherige Gewalt die friedliche Republik zu schaffen. Die Moral ist
nur von den Gegebenheiten abhängig. Befriedete politische Verhältnisse
bräuchten zuerst ein skrupelloses politisches Vorgehen; alle Mittel der Gewalt
seien zugelassen, sollen aber bei ihrer Anwendung verschleiert werden. So gaben
gerade die italienischen Fürsten und Regierungen schlimme Beispiele ab: Mord
und andere Mittel der Allmacht waren tagesaktuell, so wie der unheimliche
Blutdurst des Cesare Borgias, dessen Greuel auch für die Renaissance stehen.
Savonarola z.B. wollte Florenz zu einem Reich Gottes auf Erden machen nach einem
Ideal der Theokratie, bei welcher sich alle Menschen in Demut vor der Macht des
Unsichtbaren beugen. Savonarola inszenierte dazu mystische Opferbrände, drang
des Nachts in Häuser ein, um verwerfliche Gegenstände zu finden und zu
verbrennen und entwickelte die Idee einer heiligen, makellosen Bürgerschaft.
Das Bild Burkhardts ist stellenweise düster und abgründig: Aberglaube,
Sittenlosigkeit, Grausamkeit und Pragmatismus in den Stadtrepubliken und
Tyrannenstaaten Italiens waren überall vertreten. Das Werk ist in sechs
Abschnitte gegliedert, von denen der erste und der letzte dem Staat bzw. der
Religion als den tragenden Kräften gewidmet ist. Die vier dazwischen liegenden
Abschnitte behandeln die Entwicklung des Individuums, die Wiedererweckung des
Altertums, die Entdeckung der Welt und des Menschen sowie die Geselligkeit und
die Feste als besondere Merkmale des Zeitalters. Der Autor beschränkt sich auf
das italienische Gebiet und auf das 15. und frühe 16. Jahrhundert.
Fazit
In seiner Darstellung der Epoche der Renaissance hat Burckhardt zahlreiche
Bezüge zur modernen Zeit hergestellt. Für die Kunst- und Kulturgeschichte
schuf er ein bahnbrechendes Werk, weil es vor allem das Wesen moderner Politik
erstmals historiographisch beschrieb.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 12. September 2009 2009-09-12 10:59:14