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Merilyn Simonds: Das alte Land

Das alte Land

von Merilyn Simonds
Verlag: BTB [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-442-75149-5

Preis: 1,71 Euro bei Amazon.de [Stand: 24. Dezember 2024]
Die abgelegene Farm schien ideal für Alyson und Walker. Beide wollten der Natur nahe sein, Walker konnte hier in Ruhe als Töpfer arbeiten, Alyson Kräuter zum Verkauf anbauen. Der Alltag auf der Farm verläuft bald nach einer eingespielten Routine, Walker arbeitet nachts, Alyson am Tage, so sind die beiden sich nah und zugleich fern. Zu Beginn der 90er Jahre lebt das Paar schon einige Jahre auf der Farm, als Alyson schwanger wird. Dass sie nun nicht mehr so schwer wie vorher arbeiten kann, führt zu einem zunehmend gespannten Verhältnis der beiden. Ein weiterer Grund für die Krise zwischen Alyson und Walker könnte sein, dass der eigenbrötlerische Walker das gemeinsame Kind sehr viel weniger ersehnt als Alyson.

Da bis zum errechneten Geburtstermin noch eine Weile Zeit ist, nimmt Walker für drei Monate Arbeit als Holzfäller an. Alyson ist allein auf der Farm, kann ihre nächsten Nachbarn jedoch per Telefon erreichen. Für Alyson ist es ungewohnt, dass sie nach langer Zeit wieder Muße dafür hat, an ihre eigene Kindheit zurückzudenken. Immer wieder hat die junge Frau verstörende Alpträume von einem Baby, so dass die Leser bald vermuten, dass Alysons Schwangerschaft nicht so glücklich verlaufen wird wie erhofft.

Als Alyson in ihrer Anfangszeit auf der Farm ab und zu Gegenstände aus vergangenen Zeiten ausgrub, hatte sie nicht wahrhaben wollen, dass genau an dieser Stelle schon früher Siedler lebten. Erst als der Postbote von einer Frau erzählt, die hier früher lebte und Puppen anfertigte, realisiert Alyson, dass auf ihrem Grundstück Spuren einer Farm aus dem 19. Jahrhundert zu finden sind. Die MacBaynes waren 1859 aus Schottland nach Kanada eingewandert, als die Heringsschwärme ausblieben und Vater MacBayne in Europa keine Zukunft mehr für sich und seine Familie sah. Als das Schiff vor Kanadas Ostküste bei Grosse Île anlegt, darf Vater MacBayne wegen einer Erkrankung nicht weiterreisen. Mutter MacBayne, die Söhne und die Tochter Margaret bewerben sich nahe des 45. Breitengrades für eine Parzelle zum Besiedeln. Sie müssen den Wald roden, ein Haus bauen und für eine festgelegte Frist das Land kultivieren, um ihre Parzelle vom Staat überschrieben zu bekommen. In der abgelegenen Gegend ackern die Brüder mehrere Jahre lang von früh bis spät, bis sie einsehen müssen, dass sie auf dem schlechtem Boden keine Zukunftsaussichten haben. Nach dem frühen Tod der Mutter arbeitet Margaret neben ihren Brüdern wie ein Mann. Margarets Rolle als Pionierin ist selbst in ihrer Zeit ungewöhnlich; sie muss sich erst Männerkleidung besorgen, damit sie sich beim Holzfällen nicht in ihren Rocken verfängt. Auch Margaret ist oft monatelang allein, während ihre Brüder Arbeit als Holzfäller annehmen. Die abergläubische Margaret hat den Kopf voller Hexen und Kobolde - möglich, dass sie deshalb indianischen Mythen gegenüber sehr empfänglich ist. In ihrer Familie wird überliefert, dass eine Vorfahrin der MacBaynes in Europa als Hexe verurteilt worden war.

Die Verbindung zwischen Alyson aus dem Jahr 1990 und Margaret aus dem Jahr 1859 knüpft Merilyn Simonds durch ein Kochbuch, das Alyson sorgfältig verpackt und verborgen in einer Mauerritze der Reste der alten Farm findet. Auf den unbeschriebenen Seiten des Buches hat Margaret in winziger Schrift ihr Kräuterwissen notiert. Alyson kann zwar nicht den gesamten Text entziffern, doch sie hat von nun an den Eindruck, sich in Margaret MacBaynes Garten zu bewegen. Alyson stellt die Art ihres Kräuteranbaus radikal um. Gezielt sucht sie die Pflanzen, die schon Margaret nutzte, hegt und pflegt sie, um Margarets Rezepturen auszuprobieren. Dieser radikale Schnitt ist für Alyson ein Weg, um mit ihrer Trauer und den Verletzungen aus ihrer Beziehung zu Walker umzugehen (von der Vorgeschichte dieser Trauer soll nicht zu viel verraten werden). Überraschend muss sich Alyson traumatischen Erinnerungen stellen, die weit in die Zeit vor ihrer Beziehung zu Walker zurückreichen.
Fazit
Die Verbindung zweier Schicksale durch einen gemeinsamen Ort hat schon viele Autoren zu Romanen inspiriert. Merilyn Simonds verknüpft die Lebensgeschichten zweier kanadischer Frauen, die ein besonders naturnahes Leben führten: eine ungewöhnliche Pionierin des 19. Jahrhunderts und eine Frau unserer Zeit. Beide Frauen arbeiten mit den Händen, pflanzen, pflegen, brauen Arzneimittel. Die Autorin spinnt aus Überlieferungen der indianischen Ureinwohner, Anekdoten kanadischer Pioniere und Geschichten über ihre eigene Ururgrossmutter einen feinen Teppich kanadischer Geschichten. Die Geduld, mit der Simonds ihre Figuren die Natur beobachten lässt, macht ihren ersten Roman zu einem ungewöhnlich sinnlichen Buch, das zudem tiefgründig auslotet, wie in Vergangenheit und Gegenwart Frauen mit Trauer und Verlusten umgegangen sind.
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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 30. August 2009

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