Hannibal Witt, genannt Hanno, wächst an der Kieler Förde auf und möchte
einmal Afrika-Forscher werden. Hannos Freund Kulle, der Weitgereiste, der
Englisch mit kanadischem Akzent spricht, will nach dem Krieg weg, am besten nach
Kanada. Hanno hat sich leider schon auf Afrika festgelegt. In den letzten
Kriegstagen des Jahres 1945 hofft in Deutschland niemand mehr auf eine
Wunderwaffe gegen die Übermacht der Alliierten, sondern allein, dass der Krieg
endlich vorbei sein möge. Noch in den letzten Wochen werden Jugendliche unter
18 und alte Männer zum Volkssturm eingezogen, um Fremdarbeiter beim Schaufeln
unnötiger Gräben zu beaufsichtigen. Geregelten Schulunterricht hat es schon
lange nicht mehr gegeben. Für Hanno und Kulle wird der Sommer 1945 eine Abfolge
von Abenteuern und lebensgefährlichen Kinderstreichen sein. Ein Sommer, der so
heiß ist, dass die Vögel tot in den Hof fallen. Die beiden Freunde treffen
sich mit anderen in einem selbstgebauten Unterstand im Garten, die Jungen klauen
sich die Einzelteile eines MG 34 zusammen und sammeln gemeinsam Bombensplitter.
Auf dem Hof der Familie Witt sollen Flüchtlinge einquartiert werden. Die
Lehrerin Fräulein Bauer "leitet den Einsatz" der
Wohnraumbeschaffung. Hannos Opa will keine Tungusen (Menschen aus Sibirien oder
der Mongolei) in seinem Haus haben und ist entschlossen, die unerwünschten
Gäste notfalls mit der Waffe in der Hand zu vertreiben. Dennoch werden auf dem
Hof, den Hannos Mutter allein mit einem Fremdarbeiter bewirtschaftet,
Flüchtlinge untergebracht. Für kurze Zeit quartiert sich auch noch die
britische Armee im Dorf ein, so dass schließlich 160 Menschen auf dem Hof der
Witts leben. Flüchtlinge überall, eine Familie pro Zimmer, auch in der Diele,
auf dem Heuboden. Einige fürchten bereits, dass das Wasser aus dem Brunnen
nicht für so viele Menschen reichen wird. Einheimische wie Fremde leben in
völliger Ungewissheit, was am nächsten Tag sein wird. Lenchen, die Tochter der
Familie Schimek, wird regelmäßig von ihrem Vater vor den Augen und Ohren
aller missbraucht. Während des Nationalsozialismus hatte zwar jeder gelernt,
was Rassenschande ist, aber für Lenchens Schicksal gab es keinen Ausdruck. Als
Lenchens Vater Hannos Schwester Mechthild lüstern anstarrt, lockt Hanno den
verhassten ungebetenen Gast ins Moor, um ihn dort ersticken zu lassen.
Der fantasievolle Hanno trifft in der Gartenlaube des Nachbargrundstücks einen
unerwartet ernsthaften Gesprächspartner, der sich dort versteckt hält,
während die Briten bereits den Ort nach dem Mann durchkämmen. Hanno schweigt
eisern über diese Begegnung. Um seine große heimliche Liebe Anna sehen zu
können, betreibt der Junge mit gestohlenen Lebensmitteln einen regen
Schwarzhandel zur Finanzierung seiner Klavierstunden. Die Menschen sehen in
dieser Zeit hohläugig, unterernährt aus, jeder sucht Arbeit, versucht den
letzten Besitz gegen Lebensmittel einzutauschen. Hunde und Katzen können sich
ihres Lebens nicht mehr sicher sein. Täglich kommen nun Städter mit der Bahn
zum Hamstern ins Dorf. Wer nichts mehr zu verkaufen hat, bietet den eigenen
Körper an, Zweckgemeinschaften bilden sich, in denen Wohnung und Nahrung gegen
Sex und ein wenig Geborgenheit getauscht werden.
Hannos Vater Adolf hatte sich vor Jahren nach Schweden abgesetzt und man hat
lange nichts von ihm gehört. Unvermittelt steht er eines Tages im Hof - Mutter
und Kinder sind offenbar von der Rückkehr des charmanten Tunichtguts wenig
begeistert. Adolf, der sich inzwischen Harry nennt, muss sich eine andere
Unterkunft suchen. Der plötzlich aufgetauchte Vater drängt seinem fast
erwachsenen Sohn seine väterliche Fürsorge und seine Ratschläge auf, doch in
Wahrheit benötigt Harry die Unterstützung seines wendigen Sohnes, um als
Alleinunterhalter im Dorf wieder Fuß zu fassen.
Fazit
Eine kurze Zeitspanne während der letzten Kriegstage im Sommer 1945 erzählt
Konrad Hansen (*1933) aus der Sicht eines empfindsamen 16-Jährigen und bewahrt
sie so für die Nachwelt. "This book may contain explicit language"
würde in den USA auf dem Buchcover zu lesen sein - dieses Buch könnte Ihr
Schamgefühl verletzen. Bei Hansen geht es drastisch zur Sache, seine
Überlebenden und Gestrandeten haben offenbar hauptsächlich Sex im Kopf - und
ein Menschenleben zählt nach sechs Kriegsjahren kaum noch etwas. Die
Entfremdung zwischen Vater und Sohn, Hannos enttäuschte erste Liebe, sowie das
heikle Verhältnis zwischen Einheimischen und Flüchtlingen in der
schleswig-holsteinischen Provinz schildert der Autor mitreißend und
phantasievoll.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 28. August 2009 2009-08-28 20:46:57