"Sind die alle so klein?" hatte Lilli völlig unbeeindruckt gefragt,
als ihr Bruder Tim und der gemeinsame Freund Andi beim Doktor Spielen ihre Hose
herunter ließen. Tim, Lilli und der damals siebenjährige Andi hatten sich im
Schwarzwald im Haus von Andis Oma getroffen. Dazu, die krassen Sachen
anzusehen, die Andis Oma auf dem Dachboden aufhob, waren die drei bei ihrem
Besuch im Schwarzwald gar nicht mehr gekommen. Nun wird Juliane für einen
zweiwöchigen Ferien-Besuch erwartet. Andi ist inzwischen 16 Jahre alt und Opfer
seines unberechenbaren Testosteron-Spiegels. Wie soll er einem Mädchen
gegenübertreten, das sich noch an seinen Kinder-Penis von damals erinnert? In
der letzten Woche vor den Ferien schwärmt Andi also wie gewohnt heimlich für
seine Klassenkameradin Katja und denkt dabei an den bevorstehenden Besuch von
Lilli. Zum Glück ist Andis Kampf gegen die Stürme der Pubertät nicht die
einzige Peinlichkeit in seiner Familie. Andis Vater hockt als Ex-Musiker zu
Hause herum und träumt davon, mit seiner Band noch einmal voll durchzuknallen.
Die Mutter hat kürzlich ihre Begabung als Heilpraktikerin entdeckt, so dass
ihre Familie damit rechnen muss, schon zum Frühstück von ihr Acidum
Phosphoricum D30 serviert zu bekommen. Ahnte Andis Mutter die Nöte ihres
Sohnes, würde sie sich vermutlich sofort mit Blutegeln oder Akupunktur-Nadeln
auf die Beschwerden der Pubertät stürzen.
Mädchen sind für Andi, den jüngeren Bruder dreier Schwestern, noch immer ein
Rätsel, obwohl ein 16-Jähriger heute aus dem Internet rein theoretisch weiß,
was von ihm als Mann erwartet wird. Auch Andis Freund Dirty Harry kann kaum
Hilfreiches zum Thema beitragen. Die erste Begegnung mit Lilli vermasselt Andi
geradezu filmreif. "Ihr Jungs habt doch nur euren Pimmel im Kopf"
lästert Lilli. Als Tochter eines Mediziners und erklärte Atheistin nimmt sie
im chaotischen Heilpraktiker-Haushalt erst einmal den Grund-Widerspruch zwischen
naturwissenschaftlicher Beweisführung und alternativen Heilmethoden aufs Korn.
Mit welcher Wortgewandtheit Glauben und Wissen am Familientisch aufeinander
treffen, ist eine reine Freude. Bis Andi sich entschieden hat, ob er Lilli als
eine Art kleine Schwester behandeln oder sie lieber anbaggern soll, ist Bobby
ihm längst damit zuvorgekommen, bei Lilli Eindruck zu schinden. Nachdem sich
alle gut gemeinten Verführungstipps seiner Freunde als unbrauchbar erwiesen
haben, sucht Andi Rat in einem Flirt-Chat im Internet.
Fazit
Jaromir Konecny, Vizemeister des Poetry-Slams, lotet mit seiner tragikomischen
Erzählung in direkter, drastischer Sprache die Untiefen der männlichen
Pubertät aus, ohne sich auf Kosten seines Helden zu amüsieren.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 20. Juli 2009 2009-07-20 10:06:41