Alfred Delp, der Jesuit, der im Angesicht des Todes bis zuletzt im Widerstand
lebte, schrieb zwischen Verhaftung und Hinrichtung durch die Gestapo 1944-1945,
daß Deutschland in allen Schichten seines Daseins um seine Existenz ringe und
von zwei Seiten raumfremde und ahnungslose Mächte in sein Leben eindrängen:
Rußland und Amerika. Er glaubte bis zuletzt, daß die großen geschichtlichen
und persönlichen Gnadenstunden immer in irgendeiner Form das Erwachen und die
Rückkehr zur echten Ordnung der Wirklichkeit bedeuten. Platon würde sagen:
Ausrichtung zur Wahrheitsbefähigung.
Nach dem 20. Juli 1944, dem Attentat auf Hitler, wurde Delp, der noch in
München-Bogenhausen seinen Freunden in den Bombennächten seelischen Beistand
leistete, verhaftet und im Prozess gegen die Mitglieder des Kreisauer Kreises
vor Gericht gestellt.
Stets ging es ihm darum, daß in schwerer Not im inneren des Landes aber auch in
ständiger Bedrohung von außen das Leben und das Volk trotzdem noch
Verheißungen habe und damit lebendig bleibe und sich Glanz und Zuversicht im
Vertrauen auf Gott nicht nehmen lasse. Als Jesuit prägte er den Kreisauer Kreis
mit seinem Konzept des personalen Sozialismus, den er für Menschen
ausformulierte, die mit der katholischen Soziallehre wenig zu schaffen hatten.
Diese dritte Idee sollte die NS-Rechtsbrecher bestrafen und zugleich Deutschland
auf den Säulen der Kirche und der Arbeiterschaft versöhnend wieder neu
aufbauen.
Das vorliegende Buch vereint die hoffnungsvollen Grundansichten des
Jesuitenpaters. Das große Rufen nach Gott müsse anheben und dürfe nicht mehr
nachlassen. Man müsse ihn beim Wort nehmen, vor allem in Zeiten der
Bedrängnis, in die er hineingeboren wurde. Er war Jesuitenpater bis zu seinem
Ende in den Kerkerzellen, getragen von einem tiefen Vertrauen und einer großen
Hoffnung auf Gott. Und genau dies bezeugen die hier gesammelten Texte, aus denen
auch der Leser Kraft schöpfen kann: "Der Mensch wird gesund durch die
Ordnung Gottes und die Nähe Gottes. Hier wird er auch freudfähig und
froh." Für Delp strömen die Quellen des Heiles und der Heilung im
Menschen selbst. Gott ist als ein Brunnen in ihm. Diese inneren Quellen solle
man finden und immer wieder strömen lassen. Dann werde keine Wüste.
Delp ging es neben seiner christlichen Prägung auch politisch um ein
verankertes und rational faßbares Menschenbild freier Individuen. Auf diese
Position im deutschen Widerstand beruft er sich, auch in Anlehnung an die
idealistische Tradition der Deutschen. Der idealistische Mensch sei mehr Mensch
als der rein faktische und praktische. Der innerste Grund des deutschen Menschen
bleibe unantastbar. Er weise einen Charakter auf, der in seinem realen Anspruch
wohlklingende Ideologien skeptisch betrachtet und über alle temporären
Heilsbotschaften hinweg existent bleibe - gegenüber den Nationalsozialisten und
natürlich auch gegenüber den potentiellen Besatzern. So verkörpert Delp
zugleich das im Deutschen Widerstand, was Eberhard Zeller einst als
"Aufstand des Geistes" charakterisierte. Delp personifizierte den
Gegensatz zwischen deutscher Staatsphilosophie und deutscher
geistesgeschichtlicher Tradition zum Nationalsozialismus angesichts seiner
Hinrichtung gerade durch die Nationalsozialisten.
In einem Prozess vor dem Volksgerichtshof in Berlin zum Tode verurteilt, wurde
ihm am 2. Februar 1945 von den nationalsozialistischen Machthabern das Leben
genommen, ein Leben, das er ganz in die Nachfolge Jesu Christi als überzeugter
Jesuit, Priester und Vordenker einer menschenfreundlicheren und gerechteren
Gesellschaftsordnung gestellt hatte, die ausdrücklich einen positiven Bezug zur
deutschen Geschichte herstellte.
Delp formulierte in seiner Zelle als Verurteilter als letztes: "Mein
Verbrechen ist, daß ich an Deutschland glaubte (...)". Ihm wurde zur Wahl
gestellt, freigelassen zu werden, wenn er den Jesuitenorden verlässt, worauf er
nicht einging. Man suche heute derart aufrechte Männer und auch Christen, die
sich zuhauf in der Politik tummeln, kaum aber mehr in der Lage wären, in der
Wüßte des Hyperwohlstandes vor eine solche Frage gestellt, vergleichbar
aufrecht zu entscheiden. Delp schrieb dazu selbst: "Wer nicht in einer
Atmosphäre der Freiheit zuhause ist, die unantastbar und unberührbar bleibt,
allen äußeren Mächten und Zuständen zum Trotz, der ist verloren. Der ist
aber auch kein richtiger Mensch, sondern Objekt, Nummer, Statist,
Karteikarte." - Also viele Verlorene und Objekte im Gegensatz zur Lehre
Delps, den Menschen bodenständig zu machen, gewissenhaft, urteilsfähig und
charakterstark, wie sein Vorbild - Jesus Christus, in dessen Sinne er in der
Kerkerzelle schrieb:
"Ich bitte auch die Freunde, nicht zu trauern, sondern für mich zu beten
und mir zu helfen, solange ich Hilfe bedarf. Und sich nachher darauf zu
verlassen, daß ich geopfert wurde, nicht erschlagen."
Das Buch zeigt eindrucksvoll das Leben und Wirken eines Mannes, der an
Deutschland glaubte, zugleich aber den Keim der Vernichtung in Deutschland, den
Nationalsozialismus, ablehnte und einen christlichen Weg vorlebte. Damit würde
er auch heute wieder zwischen den Fronten stehen, gerade in seiner skeptischen
Haltung gegenüber den Besatzern.
Fazit
Um den Jesuitenpater zu verstehen, möge der Leser dieses Buch verinnerlichen
und damit Delp gerecht werden, der in der Todeszelle in der Hoffnung, daß es
vielen Deutschen besser gehen möge als ihm, eines tat: Segnen Land und Volk in
seiner Not und inneren Qual. Sein Richter, Dr. Roland Freisler, überlebte Delp
nur um einen Tag. Er kam bei einem tags darauf stattfindenden Bombenangriff ums
Leben.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 27. Juni 2009 2009-06-27 09:50:26