Logo buchtips.net
Laurens van der Post: Der Jäger und der Wal

Der Jäger und der Wal

von Laurens van der Post
Verlag: Diogenes Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-257-23016-1

Preis: 1,77 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. November 2024]
Der Kapitän, der vor der Küste Südafrikas Jagd auf Wale macht, und sein "Auge" sind ein ungewöhnliches Paar. Der Norweger Thor Larsen hat sich einen Jungen aus dem Busch gesucht, der ihm aus dem Ausguck seines Walfängers die gesichteten Wale ausrufen soll. Larsen hatte die guten Augen des Jungen beim Tennis entdeckt und den Burenjungen aus Südafrikas Landesinnern auf sein Schiff eingeladen. Der Kapitän scheint von den Tieren Südafrikas, besonders von Elefanten fasziniert zu sein. Als der Ich-Erzähler schon längst angeheuert hat, vereinbart Larsen mit ihm, dass er dem Käpt'n für jeden Wal, den er sichtet, später einen Elefanten zeigen soll. "Mach, mir den Wal aus, nein?" ordnet der Käpt'n mit norwegischem Akzent an. Als der junge Mann seine Arbeit an Bord im Hafen von Port Natal (heute Durban) antrat, kann er gerade erst 14 Jahre alt gewesen sein. Doch die Erinnerungen an die Zeit auf dem Walfänger wird uns in der Ich-Form aus der Erinnerung eines deutlich älteren Mannes erzählt, der offenbar tiefen Einblick in die Psyche der von ihm beschriebenen Menschen hat.

Larsen hat dem Walfang gegenüber eine nüchterne Einstellung, man muss fischen, um zu leben - was sonst kann ein Norweger tun? Das Sterben der Jagdbeute sieht Larsen ebenso sachlich, vom Pottwal spricht er voller Achtung und niemals fällt die klischeehafte Bezeichnung Mörderwal. Dennoch ist dem Leser von Beginn an deutlich, dass der Walfang Larsen mehr bedeutet als nur einen Broterwerb. Das "Auge" war mit einem Gefühl der Beklemmung an Bord gekommen, als ob er geahnt hat, dass Schiff und Kapitän ein unglückliches Ende bevorstehen würde. Mit der Beobachtungsgabe eines Jungen, der in engem Verhältnis zu den Gewalten der Naturkräfte aufgewachsen ist, und voller Staunen für die Welt auf See wird uns der Alltag der Mannschaft beschrieben. Als einziger Südafrikaner unter allen Norwegern an Bord fühlt sich der Junge dem Heizer Mlangeni, dem einzigen Schwarzen an Bord, besonders verbunden. Für die tiefgreifenden Konflikte zwischen Mannschaft und Kapitän, die später durch Harald, einen neuen Mann an Bord, eskalieren werden, hat der Junge eine besonders sensible Wahrnehmung. Trotz seiner Jugend nimmt er bald die Rolle des ausgleichenden Diplomaten auf dem Schiff ein. Spätestens an diesem Punkt wird deutlich, dass Laurens van der Post die wenigen Walfangszenen in seinem Roman mit alltäglicher Beiläufigkeit erzählt, um sich anschließend intensiv und mit psychologischem Geschick den Beziehungen der Mannschaft untereinander zu widmen. Die persönliche Kraftprobe zwischen einem berühmten Großwildjäger, der an Bord kommt, um sich unter Käpt'n Larsen seinen Traum vom Walfang zu erfüllen, und dem erfahrenen Walfänger wird tödlich ausgehen.

"Der Jäger und der Wal" nimmt seine Leser durch die Erzählperspektive aus der Sicht eines Jungen gefangen, der von seiner Tätigkeit im Ausguck eines Walfängers im Laufe von vier Fangzeiten berichtet. "Das Auge" beobachtet das Meer und die Kräfte der Natur mit geschultem Blick; sein Psychogramm eines Jägers und sein Urteil über die Geschehnisse an Bord gibt der Ich-Erzähler mit dem Abstand von Jahrzehnten und mit der Weisheit des Alters ab. Auch Laurens von der Post beschreibt seine Erlebnisse an Bord eines Walfängers aus der Distanz. Christoph Egger informiert in seinem Nachwort über den wirtschaftlichen Stellenwert des Walfangs zu Larsens Zeit und dass van der Post 1923 im Alter von 17 Jahren selbst auf einem Walfänger gefahren sei. Egger berichtet, dass einige der Figuren in van der Posts abenteuerlicher Milieustudie Personen ähneln, die der Autor während seiner Volontärzeit kennen lernte.
Fazit
Der 1967 erschienene - ausgezeichnet von Michael H. Siegel übersetzte - Roman-Klassiker Laurens van der Posts hat das Zeug, mein "Buch für die Insel" zu werden und regt an, Moby Dick noch einmal aus neuer Perspektive zu lesen.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

weitere Rezension zu diesem Buch schreiben
Rezension als PDF-Datei speichern
Direkt verlinken: https://www.buchtips.net/rez4275.htm

Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 23. Juni 2009

Buchtips.net 2002 - 2024  |  Kontakt  |  Impressum |  Datenschutzerklärung