Wer sich erst Gedanken über die Gefährdung durch Genussmittel, Medikamente
oder Drogen macht, wenn die eigenen Kinder in die Pubertät kommen, ist mit
dieser Sorge etwas spät dran. Das Austesten von Grenzen, das Experimentieren
mit radikalen Ansichten gehört für viele Jugendliche ebenso wie der erste
Kontakt mit Alkohol, Zigaretten oder Drogen zur Pubertät. Die ausgeprägte
Abenteuerlust Jugendlicher kann sich in ständigem Partymachen, Neugier auf
andere Länder, aber auch in häufigem Partnerwechsel zeigen. Das
durchschnittliche Einstiegsalter ins Rauchen liegt inzwischen bei 12 bis 13
Jahren, den ersten Alkoholrausch erleben viele Jugendliche mit 14, den ersten
Cannabis-Konsum im Alter von 16 bis 17 Jahren.
Christian Urech skizziert in seinem Elternratgeber zunächst die körperliche
und seelische Entwicklung Jugendlicher, um anschließend zu erläutern, warum
gerade Jugendliche aus dem Wunsch, sich von den Eltern abzugrenzen oder zu
einer bestimmten Clique zu gehören, außergewöhnliche Erlebnisse im
Drogenkonsum suchen. Der Verfasser schärft die Wahrnehmung von Eltern für
Suchtverhalten außerhalb des reinen Drogenkonsums wie Fitness-Wahn,
Ess-Störungen, Kauf-, Arbeits- oder Computer-Sucht und die Abhängigkeit vom
Mobiltelefon. Urech nennt als gesellschaftliche Ursachen für Suchtverhalten
unsere abnehmende Fähigkeit Unlustgefühle auszuhalten, die ständige
Verfügbarkeit eines Übermaßes an Konsumgütern, sowie den Einfluss der
Werbung auf das Selbstbild Jugendlicher. Im Drogenkonsum macht Urech den Wunsch
nach Rückzug aus der modernen Multioptions-Gesellschaft aus, aber auch die
Suche nach symbolischer Kommunikation.
Wichtig finde ich den Hinweis des Autors darauf, dass häufig nicht Drogen wie
Cannabis Jugendliche gefährden, deren Verführungskraft Eltern besonders
fürchten, sondern die alltägliche Verfügbarkeit von Alkohol, Zigaretten und
Medikamenten. Suchtexperten, Gesundheitspolitiker, Eltern und Pädagogen setzen
hier unterschiedliche Prioritäten. Das Suchtpotential von Barbituraten rangiert
nach Ansicht von Suchtexperten auf dem dritten Platz nach Heroin und Kokain und
noch vor Alkohol. Urech erläutert die fließenden Übergänge zwischen
Ausprobieren, Genuss, Anhängigkeit und Sucht und er informiert über die Gefahr
psychischer Abhängigkeit oder psychischer Erkrankungen, die gemeinsam mit
Drogenkonsum auftreten können.
Christian Urech erläutert am Beispiel des gesellschaftlich legitimierten
Alkoholkonsums den Einfluss einer männlich geprägten Trinkkultur wie auch die
Bedeutung des elterlichen Vorbilds auf den Genussmittel-Konsum ihrer Kinder.
Für Erwachsene, denen es selbst noch nicht gelungen ist, sich das Rauchen
abzugewöhnen, zeigt der Autor Verständnis; denn er kennt den Zusammenhang
zwischen Stress und Genussmittel-Gebrauch. (Wer geringen Erfolg in der Schule
hat, raucht vergleichsweise häufiger als andere Schüler.) Eine symbolische
Kommunikation durch gemeinsames Rauchen verliere an Bedeutung, wenn die
Möglichkeit zur echten Kommunikation besteht, mahnt Urech. Wir erfahren von
Zusammenhängen zwischen Cannabis-Konsum, Neugier und Kreativität. Auch den
beiläufigen Cannabiskonsum in der Hiphop-, Raggae- und Gangstarap-Szene können
interessierte Eltern nach der Lektüre des Buches einschätzen.
In differenzierten Aussagen zur jeweiligen Situation in Deutschland, Österreich
und der Schweiz informiert das leicht verständlich formulierte Buch Art,
Wirkung und Nebenwirkung einzelner Stoffe und erklärt wie Handel, Besitz und
Konsum nach dem Betäubungsmittelgesetz zu bewerten sind.
Der Autor zeigt, dass Jugendliche nicht völlig vor Risiken bewahrt werden
können, aber dass Eltern die Risiken mindern und ihren Kindern Kompetenzen für
den Umgang mit Drogen und Genussmitteln vermitteln können. Interessierte Eltern
erfahren, wie unterschiedlich die Rollenvorstellungen die jeweilige Reaktion von
Mädchen und Jungen auf Drogen- und Genussmittel prägen und wie Eltern mit
Sucht nach virtueller Allmacht in Computerspielen oder der Abhängigkeit ihrer
Kinder vom Mobiltelefon umgehen können. Kinder werden gegen die Gefahren durch
Drogen-, Alkohol- und Zigarettenkonsum gestärkt, wenn der Familienalltag von
den drei Säulen Vorbild, Rücksicht und Regeln getragen wird. Urechs wichtigste
Botschaften an Eltern auf ihrem Weg, Kinder zu selbstverantwortlichen
Persönlichkeiten zu erziehen und dennoch vor Gefahren zu bewahren: Kindern von
Anfang an Urvertrauen geben, ihnen ein positives Körpergefühl,
Genussfähigkeit und Zugang zu den eigenen Gefühlen vermitteln, sowie stets
miteinander im Gespräch bleiben.
Fazit
In "Rauchen, Saufen, Kiffen" nimmt der Autor Christian Urech seine
Leser in der Sorge um ihre Kinder ernst, informiert umfassend und mahnt, das
Verhalten eines Kindes spiegele stets wie es selbst behandelt wird. Ein
alphabetisch geordnetes Drogen-ABC, Kontaktadressen für die Suche nach
professioneller Hilfe und ein aktuelles Literaturverzeichnis runden das sehr
empfehlenswerte Buch ab.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 16. April 2009 2009-04-16 09:47:00