Imperialismus ist eine gewaltsame Ausdehnung staatlicher Herrschaft über
unterentwickelte Territorien, unter Mißachtung des Willens der Beherrschten,
mit dem Ziel der Errichtung eines verbundenen Kolonialreiches. Ideales Ziel ist
die Erringung des Weltmachtstatus für einen Staatenverband. - So die geläufige
Definition in der Staatswissenschaft. Erich Marcks und Max Lenz entwarfen eine
Theorie vom notwendig sich vollziehenden Übergang vom europäischen
Staatensystem zum Weltstaatensystem, bei dem Deutschland mitziehen müsse um
nicht zur Macht zweiten Ranges zu werden. Dieser etatistische Prozess führte zu
vielen Auseinandersetzungen mit Großbritannien. In den Vereinigten Staaten
findet sich analoges bei John Burges, der vom hegelianischen Staatsbegriff
ausgehend den Aufstieg der Vereinigten Staaten zur Weltmacht als eine
Notwendigkeit betrachtete.
David Fieldhouse entwarf die Theorie des periphären Imperialismus. Der Handel
mit kolonialen Territorien sei nahezu unbedeutend. Imperialismus sei eher durch
die Vorsicht in einer Periode des nationalen Wandels hervorgerufen worden, um
die nationalen Interessen des eigenen Landes zu verteidigen. Es sei nur eine
Reaktion auf die unbefriedigenden Verhältnisse an der Peripherie. Durch lokale
Konflikte wurden territoriale Kontrollen ausgeweitet, um für Ruhe und Ordnung
zu sorgen. Es waren ökonomische Prozesse an der Peripherie, die die
Kolonialmächte zu direktem Einfluss zwangen, was zur unmittelbaren Herrschaft
geführt hat.
Oswald Spengler drückt dies treffend so aus: "Der wirtschaftliche und erst
in seinem Dienst der politische Imperialismus hat die Aufgabe, die Existenz
eines Massenvolkes nach außen hin sicherzustellen (...). Dem dient die Politik
der Kolonien, Protektorate und Einflusssphären, (...) um wirtschaftliche
Möglichkeiten für eine einzelne Macht zu reservieren. (...) Der Imperialismus
(...) ist endlich zu der Katastrophe vorangetrieben worden, welche der Ausbruch
des Weltkrieges darstellt." Immer wieder fragt man sich nach der deutschen
Vision der Kolonien, nach Leistung und Hintergrund des deutschen Kolonialismus.
So kurz das deutsche Kolonialreich auch existierte, so mächtig war die Idee -
sowohl vor dem Erwerb der ersten deutschen Kolonie 1884 als auch nach dem
Verlust aller Annexionen nach dem Ersten Weltkrieg. Auch hier war das Ziel ein
Größeres Deutschland im Wettstreit mit den europäischen Mächten.
In der vorliegenden Darstellung des deutschen Kolonialismus geht es um ein
moralisch unvoreingenommenes Bild vom deutschen Kolonialismus. Insgesamt eine
beeindruckende und tiefgründige Darstellung. Scharf gezeichnete Porträts der
Hauptakteure - allesamt Kaufleute, Abenteurer, Politiker - erklären den
wirtschaftlichen Ursprung der deutschen Protektorate in Afrika, China und dem
Pazifik.
Fazit
Das Buch ist ein Fortschritt für einen neuen Blick auf die deutsche
Kolonialgeschichte. Der Leser kann sich erstmals ohne den moralistischen Kitsch
bundesdeutscher Gutmenschen und beruflicher staatlich alimentierter
Bedenkenträger ein sachliches und eigenes Bild von den deutschen Kolonien
machen, insbesondere von Deutsch-Südwest-Afrika, wo die deutschen Bauten noch
immer fest verortet sind, Ortsbild prägenden Charakter haben und die
Einheimischen zur deutschen Gesichte ein unbefangeneres Verhältnis haben als
die Deutschen heute selbst.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 28. März 2009 2009-03-28 11:23:15