Die Kalle-Blomquist-Trilogie (in Deutschland erschienen 1950 - 1954) gehört
für mich zu den besten Kinderkrimis in Deutschland. Das "Lexikon der
Kriminalliteratur" aus dem Corian-Verlag bezeichnete den zweiten Teil
"Kalle Blomquist lebt gefährlich" sogar als besten schwedischen
Kinderkrimi überhaupt. Im ersten Teil "Meisterdetektiv Blomquist"
entlarvt Kalle Blomquist zusammen mit seinen Freunden Anders und Eva-Lotte
Juwelendiebe. Dabei bestechen nicht nur die kindgerechten, im lockeren
Astrid-Lindgren-Ton gezeichneten Charaktere, sondern auch die Tatsache, wie
wichtig logisches Denkvermögen und die Fähigkeit zur Detektion (die
Fähigkeit, aus Spuren und Beobahtungen logische Schlussfolgerungen zu ziehen,
die zur Aufklärung enes Verbrechens führen) bei der Verbrechensbekämpfung
sind. Für den unverwüstlichen Humor der Autorin, die nach eigener Aussage
keine Krimis las, spricht der Vergleich des 13-jährigen Kalles mit berühmten
literarischen "Vorgängern" wie Lord Peter Wimsey, Hercule Poirot und
- natürlich - Sherlock Holmes. Beeindruckend ist, wie psychologich genau die
kindlichen Charaktere herausgearbeitet werden - so etwa bei der Erfindung des
"anonymen Zuhörers", den Kalle erfindet, um für seine Thesen Lob und
Anerkennung zu bekommen. Im zweiten Band hat Astrid Lindgren die Charaktere noch
genauer differenziert und altersgemäß entwickelt. Hier zeigt sie am
deutlichsten, wie Verbrechen die von ihr idyllisch gezeichnete "heile
Welt" konfrontiert. Sie bricht dafür ein "Tabu" im Kinderkrimi,
da ein Mord geschieht und Eva-Lotte nur knapp einem Giftanschlag des Mörders
entgeht, da sie eine wichtige Zeugin ist. Diese Szene nutzt die Autorin auch
dazu, zu vermitteln, wie wichtig neben der im ersten Band geschilderten
Fähigkeit zur Detektion auch chemische Kenntnisse sind, ohne die heutige
Polizeiarbeit nicht mehr auskommt. So findet Kalle mit Hilfe der von der Autorin
(sie hatte zeitweise als Chemieassistentin gearbeitet) ausführlich
geschilderten "Marshen Arsenikprobe" heraus, dass eine an Eva-Lotte
verschickte Schokolade vergiftet worden war. Astrid Lindgren macht den Kindern
nichts vor, sie konfrontiert diese mit der - sehr brutalen - Realität.
Gleichzeitig zeigt sie jedoch, dass es eine bessere Welt gibt: zu Entspannung
baut sie witzige und humorvolle Szenen ein, etwa in den breit geschilderten
Spielen der beiden Kindergruppen, der "roten" und der
"weißen" Rose. Zum anderen bereiten diese Bandenspiele die
Protagonisten auf die Auseinandersetzung mit den Verbrechern vor, indem sie
Fähigkeiten vermitteln, die dazu nötig sind: mittels Zeichen und Geheimsprache
ist eine Verständigung in Gegenwart der Verbrecher möglich, die Handlungsorte
sind bekannt und ausgeforscht und die Spiele dienen dazu, am Schauplatz des
Verbrechens zu sein, wenn dies notwendig ist. Dies wird besonders deutlich im
dritten Band der Trilogie. Hier werden die Spiele aufgrund der Verpflichtungen
der Hauptpersonen, die älter geworden sind und mehr in den Ferien im Haushalt
helfen müssen, in die Nacht verlegt. Dort werden Kalle, Anders und Eva-Lotte
prompt Zeugen einer Entführung. Ein schwedischer Professor und sein kleiner
5-jähriger Sohn, den die drei kurz zuvor kennenlernten, wird entführt. Kalle
und seine Helfer können den Ort der Entführer finden und schließlich alles zu
einem guten Ende führen. Actionszenen wie in amerikanischen Gangsterfilmen (die
zu jener Zeit von den Protagonisten gerne im örtlichen Kino gesehen werden)
sind hier gehäuft zu beobachten. Auch hier ist die Auseinandersetzung mit den
Tätern durchaus realistisch gezeichnet. Gut gelungen sind die Charaktere des
kleinen Jungen Rasmus, den der Leser sofort lieb gewinnt, und eines der
Entführer, der eigentlich ein harmloser Seemann ist und sich am Ende auf die
Seite der Kinder schlägt.
Fazit
Insgesamt ein faszinierender Kinderkrimi. Dies gilt für alle 3 Teile in dieser
Gesamtausgabe. Unbedingt lesen und in die wunderbare Welt der Autorin eintreten.
Dieses Buch beweist, dass Astrid Lindgren zu recht zu den Großen unter den
Kinderbuchautorinnen gezählt hat.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 11. Mai 2003 2003-05-11 21:52:24