Der 4. Band der Abentuer von Harry Potter wurde in mehr als 1 Mio. Exemplaren im
Oktober 2000 ausgeliefert und ist mit 766 Seiten wesentlich umfangreicher als
seine drei Vorgängerbände. Im vorliegenden Band muss Harry nicht nur gegen
Lord Voldemort, den bösen Magier, kämpfen, sondern sich auch mit Schülern aus
anderen Zauberschulen in einem "Trimagischen Turnier" messen. Erneut
stehen ihm seine Freunde Ron und Hermine zur Seite - und selbstverständlich
Schuldirektor Albus Dumbledore, der alles tut, um die Rückkehr des finsteren
Voldemort zu verhindern. Dieser hat jedoch einen teuflischen Plan geschmiedet,
um wieder aufzuerstehen und die Macht an sich zu reißen...
Das vorliegende Werk ist noch spannender als seine Vorgänger. Harry, Ron und
Hermine machen eine Entwickung durch und kommen in die Pubertät. Es wird
deutlich, dass sie inzwischen 14 und nicht mehr 11 Jahre alt sind.
Wunschbilderfüllung (wer möchte nicht gerne zaubern können wie Harry Potter?)
und Identifikationsmöglichkeiten mit den Protagonisten bieten sich auch hier in
Hülle und Fülle: der Leser kann mit "Genuß" in die magische Welt
der Zauberer und Hexen eintauchen und sich über die ahnungslosen
"Muggel" (Menschen ohne magische Zauberkräfte) amüsieren. Ereignisse
aus der hiesigen Welt kommen natürlich auch in Hogwarts immer wieder vor (fiese
Lehrer, Schulstress, Spannungen zwischen Freunden und Schülern, bösartige
Reporter(innen), überforderte Vorgesetzte). Die unvermeidlichen Dursleys -
Harrys unausstehliche Pflegefamilie - werden dieses Mal sogar direkt mit den
Weasleys (der Famile von Harrys Freund Ron) konfrontiert; dies führt zu
komischen Situtionen. Doch schließlich wird die Aufmerksamkeit des Lesers durch
eine Quidditsch-Weltmisterschaft (Quidditsch ist ein basketball-ähnlicherer
Zauberersport) und durch die Ereignisse des Trimagischen Turniers in Hogwarts
angezogen. Hierbei wird deutlich, dass die Gefahren für Harry und seine Freunde
immer unübersehbarer werden.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen; es ist - wie schon erwähnt - eindeutig
spannnder als seine Vorgänger. Die Charaktere sind lebensecht und realistisch,
wenn auch nicht immer glaubwürdig, dargestellt. Allerdings ist mir das Buch zu
düster und dunkel geraten; die in den Vorgängerbänden stattfindenden heiteren
Szenen fehlen - insbesondere im zweiten Teil - fast vollständig. Der
unverwüstliche Humor der Autorin - ein Erfolgsfaktor der ersten drei Bände -
fehlt meines Erachtens hier. Tragische Handlungselemente überwiegen. Die
Autorin sollte meiner Meinung nach auch darauf achten, dass zwiespältig
gezeichnete Charaktere (etwa des Professors Snape oder des bulgarischen
Zaubererdirektors Karakoff) glaubwürdig gestaltet bleiben. Auf welcher Seite
Snape steht, bleibt auch in diesem Band offen. Seine Ziele sind für den Leser
vollkommen undurchsichtig. Sollte er jedoch auf Seiten Voldemorts stehen, so
wäre sowohl seine Handlungsweise in Band 1 (dort rettet Snape Harry trotz
seines Hasses auf ihn ihm das Leben), als auch das Vertrauen, das Dumbledore
auch in diesem Band auf ihn, Snape, setzt, nicht vermittelbar. Die Geschichte um
Mad-Eye-Moody (die hier nicht verraten werden soll) wirkte auf mich -
insbesondere nach erneuter Lektüre - zu unwahrscheinlich. Auch in
phantastischen Geschichten sollte eine gewisse Glaubwürdigkeit bei der Handlung
und der Darstellung der Charaktere durchgängig gegeben sein. Wenn man von
diesen kritischen Anmerkungen absieht, ist dieser Band der mit Abstand
interessanteste Titel der Serie. Die Sehnsucht nach den weiteren Bänden 5 - 7
wird insbesondere durch den offenen Schluss dieses Buches noch unerträglicher.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 15. Mai 2003 2003-05-15 21:20:52