Für den Philosophen Aristoteles kann die Welt nicht als Einheit gedacht werden.
Es müsse die Vielheit zugelassen werden. Er gliedert die Wissenschaft in
theoretische Philosophie (die naturgeschaffenen Dinge sind unabänderlich) und
in praktische Philosophie (die menschengeschaffenen Dinge sind änderbar). So
entsteht für ihn erstmals die vielfältige Entscheidung zwischen Subjekt und
Objekt. Das Sein zerfällt, die Idee des Guten zerfällt und so haben die
Menschen keine Bindung mehr. Es entsteht die Theorie in sittlicher Absicht, um
die Menschen besser zu machen (Sitte = Ethos). Das ist die Aufgabe seiner Ethik
und Politik, die damit eine spezifisch praktische ist.
Der wirkungsmächtige Begriff einer praktischen Philosophie geht also auf
Aristoteles zurück. Der Begriff ist ebenso wie sein Gegenbegriff, der der
theoretischen Philosophie, ungewöhnlich, sogar provokativ. Otfried Höffe zeigt
nun im vorliegenden Buch, daß Ethik als wissenschaftliche und zugleich sittlich
engagierte Disziplin zu begreifen ist. Für diesen Zweck bedarf es einer
besonderen Rationalitätsform, einer Grundriss-Wissenschaft.
Die Nicomachische Ethik des Aristoteles besagt nun, man müsse sich praktisch
und selbst zu den Tugenden entscheiden (proheiresis). Die Zentraltugend ist die
Gerechtigkeit im 5. Buch seiner Ethik. Menschsein heißt damit, sich selber
mögen, dann kann man auch andere mögen. Die Menschen müssen sich um das Leben
kümmern und Ernährungsmittel beschaffen. Sklaven seien "von Natur
aus" Sklaven und zum "Schaffen" gemacht. Der Mensch ist nicht das
Beste im Kosmos; man müsse eine Menge tun und sich formieren über das Erlernen
von Tugenden und durch Gesetze, um gut zu werden. Darin besteht die praktische
Konsequenz des ethischen Denkens bei Aristoteles. Damit ist auch die Politik
etwas Gemachtes, welches auch anders gemacht werden kann. An dieser Stelle
entsteht die Handlungsfreiheit des Subjektes.
Im Ethiker Aristoteles erkennen wir, daß das, was besteht, de facto als solche
Gegebenheit akzeptiert wird und eine Rolle zugeschrieben bekommt. Die Demokratie
ist der Konsens Vieler. Frauen und Sklaven, die im Oikos (Haushalt) arbeiten,
sind vom politischen Geschehen ausgeschlossen. Aristoteles ist ein Exklusionist
in diesem Sinne. Ein sittliches Lebensprogramm ist für jene Exklusionierten
nicht möglich. Höffe beschreibt in seinem Buch die praktische Dimension im
Denken des Aristoteles, und zwar über die aristotelische und systematische
Absicht, die Ethik als praktische Philosophie sowie die Ethik als sittliches
Handeln auszuformulieren. Auch für Höffe besteht das Ziel der Ethik bei
Aristoteles im Sittlichwerden. Die Politik ist bei Aristoteles die Lehre der
Gemeinschaft; die vornehmste Gemeinschaft, wiederum die sittliche, ist die
Polis. Sie bildet sich aus einem Zweck: Das Überleben und der Erhalt der
Gattung. Auch hier ist der Sinn des Lebens das gute und sittliche Leben. Das
Ganze der Polis steht vor den Teilen. Außerhalb der Polis könne man nur Tier
oder Gott sein. Weil die Polis von Natur aus besteht, sei der Mensch ein
politisches Wesen.
Der Bezug zur praktischen Ethik nun besteht darin, daß Menschsein heißt, ein
gutes Leben in eudaimonia (Glückseligkeit) zu führen und die eigenen
Potentiale vollständig zu entwickeln. Politik wird hier ethisch und Ethik
politisch. Philosophie ist damit bei Aristoteles immer in praktischer Absicht
vollzogen worden, nicht so wie heute, wo in der Universitätsphilosophie das
ewige Rezipieren von Hegel oder Kant vollzogen wird, stetig über sie geredet
wird, es aber keine eigenen originären Philosophen gibt, die die Qualität
Kants oder Hegels selbst besitzen und selbst denken. So ist nun auch ein
Subjekt-Denken wie in der Neuzeit bei Aristoteles undenkbar. Die Polis ist immer
schon strukturiert, normativ aufgeladen und an sich gut; der Mensch müsse nur
den Weg finden, sich der Norm anzupassen.
Höffe kommt völlig richtig zu dem Schluß, das die aristotelischen Begriffe
derartig geformt sind, daß sie die praktische Freiheit des Handelnden
herausfordern. Damit sind sie an sich selbst nicht theoretische, sondern
praktische dynamische Begriffe.
Fazit
Das Buch ist eine optimale allgemeine aber auch spezifisch analysierende
Einführung in die praktischen Konsequenzen des aristotelischen Konzeptes.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 28. Februar 2009 2009-02-28 10:59:18