Wer Bücher von Horst Bosetzky kennt und dieses Buch sieht, ohne den Klappentext
zu lesen, fragt sich vermutlich, seit wann Bosetzky Liebesromane schreibt. Doch
stellt der Leser fest, dass es sich hier nicht ‚nur‘ um einen Liebesroman
handelt, sondern um die S-Bahn-Linie 1, die zwischen Oranienburg und
Berlin-Wannsee pendelt und damit den Norden und den Süden Berlins verbindet.
Johannes Raschauer und Hannah Finkbeiner mit ihren Kindern Raffael und Raffaela
sind die Protagonisten des vorliegenden Romans. Johannes ist studierter
Betriebswirt, konservativ, rational und ordentlich. Er stammt aus einer
gutbürgerlichen Familie und startete seine Karriere, bis er durch
Schwierigkeiten der Firma arbeitslos und zum vollbeschäftigten aber nicht
unbedingt zufriedenen Hausmann wurde. Hannah Finkbeiner ist eher chaotisch sowie
emotional und stammt aus einer Arbeiterfamilie. Sie studierte
Diplom-Sozialpädagogik, macht als Senatorin Karriere und ist Mitglied der
Partei der Grünen. Zwei Menschen, wie sie kaum unterschiedlicher sein könnten.
Diese Differenzen spiegeln sich im Alltagsgeschehen, der Erziehung und auch der
Lebensplanung wieder. Nach 13 Jahren wilder Ehe und Familienleben scheinen sich
die beiden Hauptdarsteller des Buches auseinandergelebt zu haben. Die Frage, ob
eine Trennung für alle Beteiligten besser wäre, stellt sich. Hilfe suchen sie
bei Freunden, beide Psychologen. Hannah telefoniert viel mit Ulrike und Johannes
mit Martin. Letzterer schlägt ihnen einen Test vor - den Perlenschnurtest. Er
ist im Grunde ganz einfach. Die S1 ist die Linie, die Johannes und Hannah
scheinbar am häufigsten nutzen. Johannes soll in Wannsee einsteigen und Hannah
in Oranienburg. Beide steigen jeweils an einer Station aus, ohne voneinander zu
wissen, an welchem Bahnhof der andere den Zug verlassen wird. Wählen sie hierzu
beide die gleiche Perle, also den gleichen Bahnhof, sollen sie zusammenbleiben.
Steigen sie an unterschiedlichen Stationen aus, sollten sie sich trennen. Ulrike
und Martin sind dabei die Sekundanten des Paares und begleiten Hannah und
Johannes bei der Auswahl des Bahnhofs. Es wird eine Zeit der Reflexion, eine
Zeit des sich Gedankenmaches über sich selbst, über den anderen, über
Gemeinsamkeiten und Differenzen sowie eine Rückschau auf vergangene Erlebnisse
und die Bedeutung dieser für das weitere Leben. Hierzu wird jeder Bahnhof mit
dem damit verbundenen Erlebnis benannt. Und zum Schluss muss sich jeder für
einen Bahnhof entscheiden, aber es kommt doch alles anders als geplant.
Fazit
Horst Bosetzky hat es wieder einmal geschafft. Aus einem Liebesroman wird
gleichzeitig ein Buch über die Berliner S-Bahn Linie Nummer 1. Bosetzky
schreibt zu Beginn eines jeden Bahnhofs immer erst einmal etwas zum
geschichtlichen Hintergrund dieser Station bevor er mit den Gedanken und
Reflexionen der Protagonisten fortfährt. Berliner Geschichte eben mal anders.
Vorgeschlagen von Romy Bigalke-Kunert
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veröffentlicht am 14. Februar 2009 2009-02-14 16:35:18