Die USA, die zu Beginn des Zweiten Weltkrieges so gut wie keinen Geheimdienst
hatten, verfügten gegen Ende der militärischen Operationen gegen Deutschland
1945 über einen wissenschaftlichen und praktisch-interventionistischen
Geheimdienstapparat. Er exerzierte die Durchdringung Deutschlands militärisch
über ins Reich eingeschleuste mit Sabotageaufträgen versehene Agenten sowie
politisch-geistig über theoretische Richtlinien in Form von
verfassungspolitischen Analysen. Das Office of Strategic Services (OSS),
Vorläufer der Central Intelligence Agency (CIA), besorgte seit 1943 über die
am Institut für Sozialforschung Max Horkheimers wirkenden deutschen Emigranten
Franz L. Neumann, Otto Kirchheimer und Herbert Marcuse regelmäßig
OSS-Deutschlandberichte. Diese Autoren schrieben für die Geheimarchive einer
Macht, zu deren Mitverwaltern sie recht schnell wurden, um die Rekonstruktion
deutscher Demokratie nach dem Muster des Parteienpluralismus mit
‚antifaschistischer’ Ausrichtung zu erwirken.
Alfons Söllner, Herausgeber der OSS-Dokumente, stellt in seinem Vorwort über
die Demokratiekonzeption des OSS, welche die spätere Militärregierung zur
Richtlinie nehmen sollte, fest: "[A]ls Mittel der Politik stand sie in
einem Gegensatz zum Ziel einer authentischen deutschen Demokratie." Bereits
1944 wurde von der Research & Analysis Branch (R & A) des OSS folgende für den
Umgang mit politischen Parteien ausdrückliche Maxime ausgegeben: "Das
Prinzip der Gleichbehandlung aller politischen Parteien wird sich in Deutschland
nach dem Krieg nicht sogleich anwenden lassen." (Research & Analysis Branch
des Office of Strategic Services 1944: Leitfaden für die Zivilverwaltung.
Politische Leitsätze zur Rekonstruktion alter Parteien und zur Gründung neuer
Parteien in Deutschland, R&A Nr. 1655.1, Dokument IV.1)
Von zentraler Bedeutung für die zukünftige amerikanische Außenpolitik ist der
Raum Eurasien - Europa und Asien. Ziel ist es, die politische und
wirtschaftliche Entwicklung Eurasiens in seinem Sinne mitzugestalten und eine
antiamerikanische Allianz eurasischer Staaten zu vermeiden. Bestimmend in den
Medien der Gegenwart sind Meldungen, die Menschen aus genau jenem Teil der Welt
betreffen: Guantanamo und Abu Ghraib - zwei Namen, die für unfassbare Vorwürfe
an die US -Regierung wegen Menschenrechtsverletzungen stehen.
Was bisher neben der Forschung über den Ursprung der deutschen
Nachkriegsdemokratie und ihre Wurzeln in den Entwürfen des CIA kaum beachtet
wurde, ist, daß auch die brutalen Verhörmethoden der CIA sich nachweislich auf
deutsche Erkenntnisse aus Menschenversuchen und auf weitere Erkenntnisse der
Deutschen des Dritten Reiches zum Thema Folter zurückverfolgen lassen. Bis in
die 60er Jahre hinein und auf deutschem Boden perfektionierte der amerikanische
Geheimdienst nicht nur seine politische Infiltration in Deutschland, sondern
zudem die grausame Verhörpraxis der Nationalsozialisten und schrieb sie in
einem Folter-Handbuch fest, das heute wieder verstärkt Anwendung findet.
Das vorliegende Buch analysiert diesen Skandal von ungeahntem Ausmaß. Das
Ergebnis ist nichts für sensible Gemüter. Der realistisch beschriebene Stoff
enthüllt Tatsachen, die das historische Bild der Nachkriegs-Verflechtung
zwischen Deutschland und den USA entlarven und komplettieren. So enthüllt
dieses Buch Fakten, die eine Schmach für die USA sind.
Eine "Erklärung der Rechte der Völker" wurde am 4. Juli 1976 in
Algier verabschiedet. Sie sieht vor, daß "ein jedes Volk ein Recht auf die
Achtung seiner nationalen und kulturellen Identität hat", daß "jedes
Volk seine politische Verfassung völlig frei bestimmen kann", daß es
"das Recht hat, eine Sprache zu sprechen, seine Kultur zu bewahren und zu
pflegen." Das kollidiert mit der klassischen Menschenrechtslehre. Sie dient
als ideologisches Alibi, um Machenschaften zu rechtfertigen, die gegen das
Selbstbestimmungsrecht der Völker, mehr noch, gegen die Würde des Menschen
verstoßen können. Kein Begriff ist an sich universell. Die menschliche Gattung
bietet eine Vielzahl von diskursiven Universen. Kulturen, denen der liberale
Individualismus fremd ist, sind für Menschenrechte nicht empfänglich. Die
Menschenrechtsehre ist eng an eine bestimmte historische Periode gebunden, was
die Universalität unglaubhaft macht, offenbar aber nicht davon abhält, dieses
moralische Schutzschild zum Mißbrauch zu verwenden. Davon zeugt einmal mehr das
vorliegende Buch.
Die realistisch-brutalen Schilderungen von Gefolterten sind schwer zu glauben,
aber nötig, um Empörung über das Unrecht zu erzeigen, das die abgetretene
Regierung Bushs zu verantworten hat. Das Buch Egmont R. Kochs, investigativer
TV-Dokumentar, zeichnet sich dadurch aus, daß es nicht lediglich anklagt,
sondern durch akribische Quellenarbeit tatsächlich überzeugt und beweist, daß
es sich bei den Folterungen in Abu Ghraib und Guantanamo nicht um Einzelfälle
sondern um strukturell angelegte Vorhaben handelt. Dokumente, Quellen und Fotos
der beteiligten Personen entlarven, wie CIA und Militär amerikanische
Wissenschaftler und deutsche Wissenschaftler für sich instrumentalisierten.
Sehr spannend ist ein Foto, welches Insassen des KL Gotha zeigen, die dem
US-Oberbefehlshaber General Dwight D. Eisenhower demonstrieren, mit welchen
Methoden in Deutschland gefoltert wurde. Als Eisenhower 1953 US-Präsident
wurde, ließ er deutsche Foltermethoden systematisch erforschen, um sie im
Kalten Krieg nutzen zu können.
Das Buch ist ein erschreckender Befund, der das Prinzip
"Menschenrechte" einmal mehr unglaubhaft macht. Wenn diese Rechte
schon immer da und Teil der Natur seien - wie oft behauptet - dann ist es
verwunderlich, daß sie nur von einem winzigen Teil der Menschheit entdeckt
wurden und dieser Teil der Welt weltweit Mißbrauch damit treibt. Neben den
spannenden Erkenntnissen, die der Autor darbietet, bilanziert der Leser zudem
für sich selbst folgendes: Jeder Universalismus tendiert dazu, Unterschiede
nicht wahrzunehmen. Ebenso sind die Menschenrechte offenbar nicht dazu geneigt,
kulturelle Vielfalt anzuerkennen oder die Achtung vor jedem Menschen zu
konstituieren, sondern vorrangig die der westlichen Kultur, und zwar mit allen
denkbaren Mitteln, die oftmals nichts weiter als die Fortsetzung des kolonialen
Syndroms darstellen.
Fazit
Kochs Buch über die "kreativen Verhörtechniken" und ihre Geschichte
ist ein überfälliges Werk.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 01. Februar 2009 2009-02-01 11:34:13