Guy Reynard Gardner ist ein Student und auf der Suche nach dem Erbe der Familie.
Stattdessen findet in einem dunklen Gewölbe der Bibliothek durch Zufall das
ewige Stundenbuch, seit Generationen von der Familie des Transportunternehmers
Gardner gehütet. Von dem legenderen Buch heisst es, es enthalte die wahren
Namen aller Lebewesen, die je auf Erden wandelten und nicht nur Gottes Worte,
sondern auch dessen wahren Namen. Wer diese Namen kennt, so auch der Glaube
vieler "Primitiven-Stämme", hat Macht über ihren Träger und ihm
offenbaren sich alle Wunder und Geheimnisse des Universums. So nebenbei, die
Neun Milliarden Namen Gottes konnte Arthur C. Clarke in seiner Erzählung
bereits im Jahr 1955 klären. Aber ich schweife ab.
Wer also über das Buch verfügt, dessen Inhalt über die Wirklichkeit der Welt
bestimmt, hält alle Macht des Universums in den Händen.
Wie auch immer, es muss ja einen Grund haben, warum sich der kurz angesprochene
Held Guy Reynard Gardner ins Vellum begibt. Der Grund findet sich in der
aufgelösten Studentengemeinschaft, der Guy angehörte. Thomas Messenger ist
gestorben und Jack Carter hat den Tod nicht verkraftet. Er verliert seinen
Verstand. Auch mit Joey Pechorin kann Guy nichts mehr anfangen. Dessen Gefühle
sind völlig abgestumpft und so bricht auch dieser Kontakt ab. Phreedom
Messenger sucht inzwischen nach ihrem Bruder Thomas. Guy schlägt das Buch auf
und schon verändert sich seine Weltsicht. Sein bisheriges Leben kommt ihm wie
ein Traum vor und so begibt er sich also in das Universum, das die Bezeichnung
Vellum trägt. Die Reise selbst ist mehr eine lesbare Reisegeschichte, in der
zwar berichtet wird, aber nie genauer nachgefragt wird. Reynard wie auch der
Leser bleiben mit offenem Mund stehen.
Im Vellum leben die Unkin. Sie sind es die die Welten beherrschen und die
Sprache Cant (eventuell ein Hinweis auf Emanuel Kant) anwenden. Cant ist die
Sprache, die in der Lage ist, die Wirklichkeit zu Formen. Daher wird auch der
Ausspruch Und Gott sprach, es werde Licht... darauf zurückzuführen sein. Die
Unkin nun sind Wesen, die sich als Götter, Götterpriester, Götterkönige,
Halbgötter, Viertelgötter und was sonst noch alles als übermächtige Wesen
hervor taten. Sie errichteten und zerstörten Reiche in verheerenden Kriegen,
die kein Mensch sich vorstellen kann. Einigen Unkin gingen diese
Auseinandersetzungen zu weit und so schlossen sie sich zu einer Gruppe zusammen,
die sie Engel nannten. Die sieben Engel wollten dem Vellum eine ewige Ordnung
geben, etwas feststehende, mit Frieden und ohne Kriege. Dieser Gedankengang und
die damit einhergehende Absichtserklärung war sicher nobel, doch führte sie
zum Gegenteil Andere Unkin schlossen sich zusammen und wurden die Dämonen.
Damit gab es eine Polarisation, die bis heute andauert. Der Krieg von Engeln und
Dämonen, von gut und Böse konnte nie gewonnen werden. Stattdessen wurde er in
den unterschiedlichsten Formen weitergeführt mit Siegen auf der einen oder
anderen Seite, jedoch nie mit einer endgültigen Entscheidung.
Fazit
Bei Hal Duncan hat man das Gefühl, die Phantastik wird neu geschrieben. Er
paart Mythologie und Wissenschaft, Vergangenheit mit Zukunft, Horror mit Science
Fiction. Der Roman Vellum ist ein Phänomen für sich. Keinem der phantastischen
Genre zugeneigt, gehört er zu jedem und zu keinem. Bleibt der Oberbegriff
Phantastik.
Vellum ist ein seltsamer und wenig gebräuchlicher Name. Schlägt man in
mehreren Lexika nach, ergibt sich folgende Begriffserklärung: französisch
vélin, vom lateinischen vitulus, Kalb. Vellum ist ein Pergament, dass aus der
Haut von Kälbern gewonnen wird. Es ist beständiger als normales Pergament und
wurde früher für hochwertige Handschriften und die Malerei verwendet. Somit
ist zwischen dem Vellum an sich und dem Material des gefundenen Buches ein Bogen
geschlossen worden. Man kann, wie in Michael Endes Unendliche Geschichte, in ein
Buch eintauchen. Vellum ist ein Spielplatz, an der es ständig etwas Neues zu
entdecken gilt. Hier und da findet man, mehr oder weniger deutlich, Hinweise auf
andere Phantatik-Autoren und ihre Werke und wem das nicht genug ist, auch auf
Mythologien lebender und toter Religionen.
Das Vellum ist eine Art Second Life. Man bildet ständig neue Personen aus,
jedoch immer nur mit den sieben Grundmustern der sieben Engel. Dafür werden die
handelnden Personen aber öfters in sich selbst kopiert, in einer anderen Zeit,
mit anderem Aussehen, aber immer klar erkennbar. Da spielt es letztlich keine
Rolle ob Phreedom, Anna oder Iannan genannt werden. Es bleibt die eine. Das
gleiche gilt für die anderen Personen. Daher kann man nicht direkt von
Hauptpersonen sprechen, sind sie doch zeitgleich unter anderem Namen in
verschiedenen Zeiten tätig. Es sind Urtypen, die verfremdet aber immer wieder
im gleichen Handlungsmuster verfangen sind.
Stilistisch gesehen ist der Roman sehr Abwechslungsreich. Für einen Vielleser
wie mich ist so ein Buch eine wahre Fundgrube abwechslungsreichen Inhaltes. Ich
bin mir ziemlich sicher, dass das Buch nicht allen Freunden der Phantastik
gefallen wird. Manche werden meine Freude an diesem Buch nicht einmal
ansatzweise teilen.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 17. Dezember 2008 2008-12-17 07:01:42