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Julius Bahnsen: Mosaiken und Silhouetten: Charakterographische Situations- und Entwicklungsbilder

Mosaiken und Silhouetten: Charakterographische Situations- und Entwicklungsbilder

von Julius Bahnsen
Verlag: Van Bremen Verlagsbuchhandlung [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Philosophie
ISBN-13 978-3-9805534-2-1

Preis: aktuell keine Daten vorhanden
Der große Aufzug der Charaktere, die nach ihrem Leben suchen, um es zu verwirklichen, ist das Lieblingsthema des verkannten Philosophen Julius Bahnsen aus dem deutschen Lauenburg in Pommern. Es liegt nach Bahnsen selbst in den Charakterunterschieden der Völker, was einige zu historischen Völkern macht und andere in der Anonymität des Lebens untergehen läßt. Als Schüler Schopenhauers wagte Bahnsen eine Verbindung Hegelscher Dialektik mit Schopenhauerschem Monismus. In dieser Verbindung wird zwar der vernunftlose all-eine Wille Schopenhauers als das Grundwesen der Welt und das einzig Reale akzeptiert, jedoch nicht, daß dieser Wille in den Individuen derselbe sei, sondern selbst ebenso vielfach wie diese Individuen, deren unveränderliches Wesen in ihrer unveränderlichen Willensnatur, in ihrem Charakter, besteht. Der Schopenhauersche Wille wird somit nicht nur in sich, sondern auch außer sich in eine Vielheit von Einzelwillen gespalten.

Ausdruck dieser Lehre, die erste charakterologische Studie noch vor den heute oftmals bekannteren Schriften Ludwig Klages, ist der vorliegende Band. Es finden sich hier die ausformulierten Gedanken der Realdialektik Bahnsens, eine gleichsam bedeutende Ontologie der Differenz. In ihr modifiziert er den schopenhauerschen Willen zur unendlichen Individuation und gibt damit der Individualität eine metaphysische und multiple Realität. Kurz: Der Charakter und sein Wille sind individuelles und zerrissenes Wesen. Bahnsen weist die Tatsache nach, daß im Einzelnen der menschliche Charakter von schweren Widersprüchen grundiert ist, die ihn zerreißen. Kern dieser charakterologischen Seite seiner Lehre, die Ausgangspunkt für die Arbeiten solcher Philosophen wie Ludwig Klages war, sind Bahnsens erstmals wieder herausgegebene und hier besprochene "Beiträge zur Charakterologie" (1867). Da das Wesen der Unvernunft im Widerspruch, jenes des unvernünftigen Willens insbesondere in dem gleichzeitigen Bestehen einander anschließender Willensrichtungen, besteht, folgt, daß nicht nur die Realität ein ununterbrochener Kampf realer Gegensätze ist (Realdialektik), sondern auch das Innere jedes Individuums unlöslichem Zwiespalt entgegengesetzter Willensrichtungen (Willenskollision) verfällt. Es ist dies ein Buch, das zu unrecht bisher kaum wahrgenommen wurde, und über dessen Autor Nietzsche schon urteilte:
"Wir müssen uns unsere philosophischen Freunde etwas zusammensuchen. Auch Bahnsen (...) steht auf der Liste."

Bahnsen negiert eine Erlösung der unzähligen "Willenshenaden" und postuliert die Permanenz der Existenz des Widerspruchs als Grundwesen der Welt, wodurch das Gesetz dieser Welt zur tragischen Weltordnung wird. Der ganze Inbegriff seiner Realdialektik kommt in seiner Charakterologie zum Ausdruck. - Dieser ließe sich auch auf folgenden Punkt bringen:

All the world to nothing!

Die realdialektische Seite seiner Lehre hat Bahnsen zudem in der Abhandlung "Zur Philosophie der Geschichte" (1871) und in seinem Hauptwerk "Der Widerspruch im Wissen und Wesen der Welt" (1880/82) niedergelegt. Über die Noblesse als Charaktereigenschaft meint er: Sie "ist eine Spielart des Edelsinns; ein zartes Töchterchen des Gemüthsadels und der Hochsinnigkeit. Ihr vollster Widerpart heißt kleinliche Gemeinheit." Er ordnet ihr einen Menschentypus zu, die von einer gewissen Großartigkeit geprägt sind, in der Art, die Menschen und die Welt so zu nehmen, wie sie ist. Selbst das Irdisch-Kleinliche wird durch solche Charaktere nobel behandelt und verliert seinen Beigeschmack des Schmutzigen. Eine Haltung also von echter "Gemüthspoesie". Und ist der Mensch am Boden zerstört, weiß der Autor dies zu bewerten: "In unseren schwachen Stunden sind wir durchweg wahrer als in unseren starken - man heuchelt und simuliert in jenen nicht." - Alles in allem ein vortreffliches Werk der Philosophie, des Mut-Machens trotz irdischen Irrsinns und der menschlichen Selbsterkenntnis inklusive aller möglichen Launen, unter denen wir wesentlich von der pessimistischen und misanthropischen Laune gemäß Bahnsen mit etwas Humor folgenden Reim verinnerlichen sollten:
Fazit
"Ich finde alles miserabel
Das Menschenvolk mich ennuyiret
Und selbst der Freund, der sonst passabel."
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne
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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 07. Dezember 2008

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