Die Kritische Transzendentalphilosophie Immanuel Kants ist bekanntlich diejenige
der Aufklärung und des Rationalismus. Er wollte den Menschen zur
Selbstbefreiung aus nicht durchschauten und nicht bewußt übernommenen, sondern
auferlegten religiösen, sozialen und politischen Bindungen aufrufen und
befähigen. Kant ist mit seiner kritizistischen Transzendentalphilosophie zum
eigentlichen Angelpunkt des neuzeitlichen Denkens geworden. Er legt den Grund
für die Unumkehrbarkeit der neuzeitlichen Subjektivität. Es geht um die Frage
ob und wie die Vernunft und die Erfahrung zusammenzubringen sind und welche
Folgen sich daraus für die Geltung und Reichweite des Prinzips der
Subjektivität ergeben. Der Verstand erkennt die Dinge, weil er auf die
sinnliche Wahrnehmung angewiesen ist, nur als Erscheinungen, nämlich unter den
Anschauungsformen von Raum und Zeit. Das denkende Subjekt ermöglicht durch die
Weise seiner Erfahrungskenntnis den Zugriff auf die Objektivität der
Gegenstände, so daß die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt
sich zugleich als die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der
Erfahrung und als der Grund der Möglichkeit aller Erkenntnis erweisen.
Diese theoretische Vernunft muß gleichwohl die Idee eines Dinges an sich bzw.
der Dinge an sich sowie die Ideen der Welt oder die Idee Gottes und der Seele
erscheinen als ein Ding der Unmöglichkeit. Die Vernunft kann diese Idee der
Welt im Ganzen oder die Vorstellung Gottes lediglich postulieren, aber nicht
abschließend wissen. Kants Idee ist die entscheidende Idee der Freiheit. Sie
wird aber nur in praktischer Hinsicht erfahrbar.
Es stellt sich die Frage nach der heutigen Bedeutung der Metaphysik, die einst
Königsdisziplin aller Wissenschaft war und nach dem absoluten Urgrund des Seins
suchte. Dieser sei transzendent und nicht empirisch erfahrbar. Kant erklärte
die Beweisbarkeit Gottes auf empirischem Wege als wissenschaftlich unmöglich.
Natürlich läutete er damit den historischen Niedergang der Metaphysik ein.
Sein Nachfolger Johann Gottlieb Fichte meinte schließlich in seinen
"Anweisungen zum seligen Leben" zum Unterschied zwischen eigentlichem
Denken und bloßem Meinen:
"Sondern darin besteht die Religion, daß man, in seiner eigenen Person,
und nicht in einer fremden, mit seinem eigenen geistigen Auge, und nicht durch
ein fremdes, Gott unmittelbar anschaue, habe, und besitze. Dies aber ist nur
durch das reine und selbständige Denken möglich; denn nur durch dieses wird
man eine eigene Person. (...) Das reine Denken ist selbst das göttliche Dasein;
(...)."
Das reine Denken wird damit selbst zum im Menschen wohnenden Potential Gottes
und dies kann eben nur ein transzendentales sein, weil "Denken" eben
nie empirisch fassbar ist. Keine Frage: Ein Gottesbeweis auf empirischer Basis
wird damit sehr schwer!
Dennoch: Können Gottesbeweise eine spannende Lektüre sein? Diese Frage stellt
sich Hansen im vorliegenden Buch und schlägt bei aller Größe der
Transzendentalphilosophie eine Schneise in sie hinein, die den Nachweis Gottes
als empirisch vertretbar hält. Nach der Lektüre dieses Buches wird der Leser
die Frage nach der Beweisbarkeit Gottes als spannende Lektüre positiv
beantworten. Hansen macht deutlich, daß in der Atom- und Teilchenphysik mit
Hypothesen gearbeitet wird, deren Aussagen nicht, noch nicht und vielleicht auch
nie empirisch verifiziert werden können. Niemand wird je Strings oder
Higgs-Teilchen sehen können, aber ihre Existenz ist an ihren Wirkungen
nachweisbar. Kann dann nicht auch die Existenz Gottes an seinen Wirkungen
deutlich werden? Die überzeugende Schlußfolgerung des Verfassers: Das
Universum gibt charakteristische Hinweise auf einen letzten, transzendenten
Grund - auf Gott.
Die große Leistung des Buches besteht darin, daß die Metaphysik der modernen
wissenschaftlichen Beweisführung zugänglich gemacht werden kann und sollte. Es
lieg hiermit die Grundlegung einer modernen Metaphysik vor. Es gibt kein Leben
in einem sinnlosen Universum. - Die Geschichte der alten Metaphysik, ihr
Niedergang und der moderne Weg zum Gottesbeweis finden sich in diesem Buch.
Fazit: Moderne Metaphysik ist nicht mehr länger eine Sache des Glaubens, die
sich vor empirisch motivierten Angriffen in Acht zu nehmen hat, sondern betrifft
einen bisher noch unerschlossenen Bereich der Wirklichkeit und ist gerade damit
empirisch operabel. Ungeachtet unseres säkularen Zeitalters ist die Suche nach
jenem transzendenten Grund, den wir in Europa lange Zeit mit dem Begriff
‚Gott' identifiziert haben, nach wie vor Lebensmotiv.
Das Buch handelt von dieser uralten Schlüsselfrage der Philosophie. Es zeigt,
daß sich diese Frage - entgegen kollektiver Einschätzung - sehr wohl mit den
Methoden der modernen Naturwissenschaft entscheiden läßt, zudem mit einem
höchst überraschendem Ergebnis. Es basiert auf der Erkenntnis, daß ein
Universum mit transzendentem Grund einer ganz spezifischen Bedingung genügen
muß: Es muß per se so eingerichtet sein, daß sein Grund - entsprechend der
Forderung nach Transzendenz - von einem innerweltlichen Standpunkt aus jeglichem
Blick entzogen bleibt. Diese gemutmaßte "Bedingung der
Konspirativität" ließ sich auf eine unerwartet kompakte Weise
präzisieren: Sie beinhaltete nämlich die Forderung, daß ein Universum mit
transzendentem Grund an seinem äußersten Rand notwendig eine Übereinstimmung
aufweisen mußte. Es zeigte sich nun, daß das von uns beobachtete reale
Universum eben diese Bedingung faktisch zu erfüllen scheint.
Zwar ist die Welt, in der wir leben, für Kant ganz und gar ideal; d.h. von uns,
unserem Erkenntnisvermögen, geformt, gestaltet und gebildet. Kants Kategorien
besitzen damit zwar transzendentale Idealität, aber immer auch empirische
Realität. Insofern ist Hansen Recht zu geben, wenn etwas Transzendentales wie
"Gott" auch empirisch an seiner Wirkung in der Welt betrachtet werden
muß. Beide Methoden sind verknüpft. -
Fazit
Das Buch birgt in sich eine bedeutende Dimension für die Philosophie der
Gegenwart.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 30. November 2008 2008-11-30 15:27:38