Eine jüdische Gemeinde in Sitka, der Provinz in Alaska, deren Ureinwohner einst
russische Siedler aus der Gegend vertrieben, das klingt so abwegig, dass es
schon wieder wahr sein muss. Damit die Regierung im fernen Washington nicht zu
übermütig wird, stellt Michael Chabon den aufmüpfigen Ureinwohnern vom Stamm
der Tlingit mit seiner fiktiven jüdischen Gemeinde eine dritte politische Kraft
an die Seite. Der Ermittler Meyer Landsmann, Nachkomme galizischer Juden, lebt
nach der Trennung von seiner Frau Bina in einem heruntergekommen Hotel. Dort
wird ein "mit Sorgfalt und Diskretion" ermordeter Mann aufgefunden,
genannt Emanuel Lasker, angeblich Schachspieler und wie Landsman Jude. Zufälle
gibt es nicht in diesem abgelegenen Landstrich am Rande der Zivilisation, der in
weiten Teilen gefroren oder von Wasser umgeben ist, und so sollten Vorgeschichte
und Kontakte des Mordopfers schnell zu ermitteln sein. Landsman und sein Partner
Berko Bear (ein Teil-Tlingit, der so aussieht wie er heisst und
selbstverständlich auch mit Meyer verwandt ist) tauchen bei ihren Ermittlungen
ein in die jüdische Kultur Sitkas. Landsman sieht sich dabei täglich mit dem
tragischen Scheitern seiner Ehe konfrontiert; denn seine Exfrau-Bina ist
inzwischen seine Vorgesetzte. Und weil alle miteinander verwandt sind und alles
mit allem verknüpft ist, entdeckt Landsman eine Verbindung des aktuellen Falls
zur internationalen Politik und zu seiner tödlich verunglückten Schwester
Naomi.
Mit ansteckender Fabulierlust persifliert Chabon das jüdische Lebensgefühl und
führt uns in Familienclans, in denen spitzzüngig miteinander gerungen wird.
Symbolträchtige, urkomische Eigennamen, eine kräftige Prise Jiddisch und
Chabons wohl dosierter Sarkasmus lenken glatt davon ab, dass Landsmann einen
Mord aufzuklären hat.
Fazit
Auch wenn die Mordermittlungen nur der Vorwand für das Abbrennen eines
Feuerwerks skurriler Ideen zu sein scheinen, Chabons schräge Gestalten, sein
gnadenloser Sarkasmus und der Clash der jüdischen mit der indianischen
Tlingit-Kultur garantieren ein Lesevergnügen auf höchstem Niveau.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 24. November 2008 2008-11-24 09:16:27