Immer wenn Elisabeth Cook ein Kind zur Welt brachte, war ihr Mann gerade auf
See. Als Ehefrau des berühmten Entdeckers James Cook (1728 bis 1779) musste sie
nicht - wie viele Frauen ihrer Zeit - mit für das finanzielle Überleben ihrer
Familie sorgen, doch die Sorgen um die sichere Rückkehr ihres Mannes, die
Verantwortung für Kinder, Haus und Garten lasteten allein auf ihr. "Ich
erzähle nie, was mich wirklich beschäftigt" sagt Elisabeth Cook (1741 bis
1835) über sich selbst. Der Platz einer Frau war damals im Haus. Frauen hatten
eine niedrige Lebenserwartung; denn das Risiko bei einer der vielen Geburten im
Kindbett zu sterben, war hoch. Anna Enquist zeigt in ihrer Romanbiografie
Elisabeth Cook als fürsorgliche Mutter, die den frühen Tod ihrer kleinen
Tochter niemals verwinden würde. Elisabeth nimmt stets Anteil an den
Entdeckungen und Plänen ihres Mannes, sorgt sich um sein Ansehen und
unterstützt ihn nach Möglichkeit beim Verfassen seiner Bücher und Vorträge.
In der Ehe der Cooks wechseln Nähe und Fremdheit, Hoffnung und Enttäuschung.
Wie Annas Einfühlung in ihre Söhne auf den patriarchalischen, unnachgiebigen
Herr-im-Haus-Standpunkt ihres Mannes trifft, beschreibt Anna Enquist in
sensibler Sprache.
Im Jahr 1775, als wir Anna Cook im Roman begegnen, hätte James Cook sich
entscheiden können, mit Rücksicht auf seine Familie eine Aufgabe an Land zu
übernehmen. Er entschied sich gegen diese Option und rüstete Schiffe für die
Suche nach der Nordwestpassage aus. Auf dieser dritten Entdeckungs-Reise wurde
Cook 1779 getötet. Anna hat immer damit gelebt, dass Briefe ihres Mannes Wochen
oder Monate lang unterwegs waren, dass beim Eintreffen einer Nachricht unklar
blieb, ob der Absender noch lebte. Diese Verzögerung wird auch Elisabeths
Auseinandersetzung mit dem Tod ihres Mannes bestimmen, sie wird im Roman nur
schrittweise erfahren, was geschah und welche Entscheidungen zum Scheitern von
Cooks letzter Reise führten.
Fazit
Anna Enquists Verknüpfung privater, unspektakulärer Erlebnisse mit Ereignissen
der Weltgeschichte fügt sich zu einem lange nachwirkenden, psychologisch
ausgereiften Frauen-Portrait der vorviktorianischen Zeit. Die Autorin lässt den
berühmten Entdecker Cook die Folgen seiner Entdeckungen bemerkenswert kritisch
reflektieren und sogar überlegen, welche Erlebnisse seiner Frau, seinen Kindern
und auch dem Publikum seiner Vorträge überhaupt zuzumuten sind. Auch wenn sich
die Frage aufdrängt, ob Enquist ihre Hauptfigur konsequent als Frau des 18.
Jahrhunderts schildert, legt die niederländische Psychoananlytikerin mit
"Letzte Reise" ein fesselndes, feinfühlig formuliertes und
übersetztes Frauen-Portrait vor.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 05. November 2008 2008-11-05 08:30:54